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Politik: Förderung Ost: "Schluss mit dem Gerede"

Die Vorlagen der Bundesregierung zu kritisieren, gehört eigentlich zu den Aufgaben der Opposition. Nun aber hat ausgerechnet ein Kabinettsmitglied eine der zentralen Botschaften des Kanzleramts für die neuen Länder für wenig sinnvoll erklärt.

Von Hans Monath

Die Vorlagen der Bundesregierung zu kritisieren, gehört eigentlich zu den Aufgaben der Opposition. Nun aber hat ausgerechnet ein Kabinettsmitglied eine der zentralen Botschaften des Kanzleramts für die neuen Länder für wenig sinnvoll erklärt. Das "Gerede vom Aufbau Ost" müsse aufhören, fordert Stephan Hilsberg, SPD-Abgeordneter aus Brandenburg und parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. "Zwar ist die Parole vom Aufbau Ost gut gemeint, der Kanzler hat ihn zur Chefsache erklärt", schreibt Hilsberg in einem Beitrag für die neue Ausgabe der Zeitschrift "Berliner Republik", die in dieser Woche erscheint. "Doch aus der Falle, in der Gerhard Schröder sich hier befindet, kann ihn in Wahrheit auch kein Staatsminister für die neuen Länder befreien."

Dem Politiker aus Brandenburg, der zu den Gründern der Sozialdemokraten in der DDR gehört, geht es keinesfalls darum, die neuen Länder sich selbst zu überlassen oder Fördergelder zu streichen. Das "Gerede vom Aufbau Ost" aber verstärkt seiner Meinung nach den Irrglauben der Ostdeutschen an ein schnelles Erreichen westlicher Standards und verhindert, dass sie langsam ihre eigenen Möglichkeiten entwickeln.

Schuld an der lähmenden Sehnsucht gibt der Brandenburger indes nicht seinen Landsleuten im Osten: Das Versprechen vom zweiten Wirtschaftswunder sei ein "macht- und interessengeleitetes Trugbild" der Regierung Kohl gewesen, es dürfe von der Nachfolgeregierung aber nicht weiter verkündet und bestärkt werden. Tabus räumt der 45-jährige Staatssekretär in seinem meinungsstarken Beitrag gleich mehrere ab. So wendet er sich entschieden gegen die verbreitete Klage über die Abwanderung gut ausgebildeter und unternehmungslustiger Menschen aus strukturschwachen Gebieten des Ostens. Statt zu jammern sollten die Politiker sich bemühen, auf einfallsreiche Weise ihre Regionen für Investitionen attraktiver zu machen. Noch mindestens eine Generation jedoch werde mit hohen Arbeitslosenzahlen leben müssen. Für einen Sozialdemokraten zeigt Hilsberg in dem Beitrag außerdem bemerkenswert wenig Vorbehalte gegen das Gewinnstreben. "Reich zu werden ist nicht unmoralisch. Wir brauchen eine Debatte, wie man in Ostdeutschland reich werden kann."

Vom Wirken seines Parteifreundes Rolf Schwanitz, des Beauftragten der Regierung für die neuen Länder, hat Hilsberg offenbar keine hohe Meinung. Zwar brauche der Osten noch die Unterstützung der Bundespolitik, um das Vorgehen verschiedener Ressorts zu koordinieren. "Doch in Wirklichkeit funktioniert diese Koordination auch schon heute nicht mehr". Stattdessen plädiert Hilsberg dafür, die neuen Länder nicht mehr als Ganzes zu sehen, da einzelne Regionen durchaus schon eigene Identität, ein Selbstbewusstsein und Wirtschaftskraft entwickelt hätten.

In der gewöhnlich eher lustlos geführten Debatte über die Zukunft der neuen Länder dürfte das ungewöhnliche Plädoyer des Regierungsmitlieds Hilsberg einige Aufregung verursachen. Am Wochenende meldeten sich mit Bernhard Vogel und Reinhard Höppner wieder zwei Ministerpäsidenten aus den neuen Ländern zu Wort und beklagten, die für den Solidarpakt II in Aussicht gestellten Mittel seien zu gering. Kanzler Schröder hatte sich mit den SPD-Ministerpräsidenten darauf geeinigt, nach 2004 Finanzhilfen über 200 Milliarden Mark für weitere zehn bis 15 Jahren zu zahlen.

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