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In ganz Deutschland haben sich die Gegner der umstrittenen Gasfördertechnik Fracking zusammengefunden. Hier in Dudensen in Niedersachsen ist die überwiegende Meinung im Ort schon am Ortseingang klar zu sehen.

© Holger Hollemann/dpa

Update

Förderung von Erdgas: Widerstand gegen umstrittenes Fracking-Gesetz

Seit 2013 versucht die Bundesregierung die umstrittene Gasfördertechnik zu regeln. Seither tobt in der Öffentlichkeit ein unversöhnlicher Kampf um die Technologie. Jetzt hat das Parlament das Wort.

Ein Aprilscherz sollte es nicht sein. Am Mittwoch hat Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) das umstrittene Fracking-Gesetz durch das Kabinett gebracht. Und damit "bin ich schon mal weiter als meine Vorgänger in der vorhergehenden Regierung", sagte sie nach dem Kabinettsbeschluss vor der Bundespressekonferenz. Schon vor der Sommerpause hatten Hendricks und ihr Parteifreund Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ein Eckpunktepapier vorgelegt. Der Gesetzentwurf folgt diesem Vorschlag weitgehend. Seither tobt der Meinungsstreit, ob das ein „Fracking-Ermöglichungsgesetz“ ist, wie die Grünen es nennen, oder ein „Fracking-Verhinderungsgesetz“, wie es Unions-Wirtschaftsflügel und Erdgasindustrie sehen.

Hendricks betonte am Mittwoch, das Gesetzes- und Verordnungspaket sei eher ein „Fracking-Verhinderungs- als ein Ermöglichungsgesetz“. Den Wunsch der Länder, Brunnen von Getränkeherstellern wie Mineralwassererzeugern oder Brauereien vor Fracking zu schützen, hat Hendricks erfüllt. Die Regelungen für die Öl- und Gasförderung sollen auch für Erdwärme gelten. Allerdings gilt die Beweislastumkehr, die Förderkonzerne dazu zwingen soll, bei Schäden an Häusern zu beweisen, dass ihre Frackvorgänge sie nicht verursacht haben, nicht für die Geothermie. Umweltverbände wetterten weiter gegen das Gesetz. Sie verlangen ein komplettes Verbot. Der Industrieverband BDI findet die Auflagen für die konventionelle Gasförderung zu anspruchgsvoll. Der BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber kritisierte: "Die Auflagen für die Erdgasförderung insgesamt sind vollkommen überzogen."

Kein komplettes Verbot der Technologie

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Fracking, also die Förderung von sogenanntem unkonventionellem, in kleinen Bläschen im Gestein eingeschlossenem Erdgas, nicht komplett verboten werden soll. Allerdings darf es bis 2018 lediglich Probebohrungen unter hohen Umweltauflagen geben, die nach Auskunft von Hendricks dem Zweck dienen, noch offene Fragen zur Technologie zu beantworten und das Risiko besser abschätzen zu können. Beim Fracking werden ein Gemisch aus Sand, Wasser und ein Chemikaliencocktail unter hohem Druck ins Gestein eingebracht, dadurch werden die gashaltigen Poren aufgesprengt, und das Gas kann gefördert werden.

Vor einer Woche stand das Gesetz schon einmal auf der Tagesordnung des Kabinetts, wurde aber kurzfristig verschoben. Die Union hatte um mehr Zeit gebeten. Die Konfliktlinien in der Debatte folgen nur bedingt Parteilinien. Innerhalb der Unionsfraktion gibt es den Wirtschaftsflügel, der befürchtet, durch neue Auflagen, die auch für die Förderung von konventionellem Erdgas gelten sollen, könnte die deutsche Erdgasförderung ganz zum Erliegen kommen.

Im Parlament sammelt sich Widerstand

Andere Abgeordnete um den niedersächsischen Fracking-Rebellen Andreas Mattfeldt (CDU) haben schon „schlechte Erfahrungen“ mit der konventionellen Erdgasförderung gemacht, die die Frack-Technik bereits eingesetzt hat. Neben dem niedersächsischen Widerstandszentrum gibt es ein zweites um den CDU-Abgeordneten Andreas Jung vom Bodensee. 73 Fracking- Kritiker haben sich in diesen zwei Gruppen gefunden. Es habe „harte Diskussionen“ gegeben, sagt Mattfeldt. Aber in elf oder zwölf Runden mit „Fraktionsfreunden“ könne die Union nun mit einer Stimme sprechen. „Darüber freue ich mich sehr“, sagte Mattfeldt dem Tagesspiegel.

Am Mittwoch hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ihr Fracking-Regelungspaket durch das Kabinett gebracht.
Am Mittwoch hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ihr Fracking-Regelungspaket durch das Kabinett gebracht.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Auf SPD-Seite organisiert sich der Widerstand in der NRW-Landesgruppe, der Hendricks übrigens selbst angehört. Die hat einstimmig beschlossen, dass „die Kommission“ wieder aus dem Gesetzestext raus müsse. In der Ressortabstimmung hatte Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) durchgesetzt, dass eine wissenschaftliche Begleitkommission 2018 die Sachlage prüfen und eine Empfehlung abgeben soll. So stellt es jedenfalls die SPD-Seite dar. Der SPD-Abgeordnete Frank Schwabe sagte am Mittwoch: "Eine von Lobbyisten in Zusammenarbeit mit Teilen der CDU ausgedachte und ins Gesetzespaket gebrachte wie auch immer zusammengesetzte Expertenkommission darf den Gesetzgeber nicht ersetzen. Fracking durch die Hintertür darf es nicht geben."  Umweltverbände wie der Nabu und der BUND befürchten, dass diese Kommission das „Einfallstor“ für die Durchsetzung der Fracking-Technologie in Deutschland werden soll. Nach Auskunft des Umweltministeriums soll diese Kommission jedoch lediglich die Probebohrungen „wissenschaftlich begleiten und bewerten“.

Aus Protest haben Umeltverbände am Mittwochmorgen vor dem Kanzleramt "gefrackt". Alles andere als ein Totalverbot der Technologie halten sie für inakzeptabel.
Aus Protest haben Umeltverbände am Mittwochmorgen vor dem Kanzleramt "gefrackt". Alles andere als ein Totalverbot der Technologie halten sie für inakzeptabel.

© imago

Exxon wiederum, das in Niedersachsen Erdgas fördert und Interesse bekundet hat, in Deutschland zu fracken, argumentiert damit, dass der Konzern Frack-Flüssigkeiten entwickelt habe, die ohne wasserschädliche Chemikalien auskämen. Die müssten nun erprobt werden. Dennoch erwartet Hendricks nicht, dass Fracking „eine irgendwie bemerkenswerte Zukunft“ in Deutschland haben werde. Sie sei sich „nicht einmal sicher, ob es überhaupt zu Probebohrungen kommt“. Die seien mit Kosten von rund 30 Millionen Euro ein hohes wirtschaftliches Risiko für die Firmen, sagte sie bei einem Besuch beim Tagesspiegel. Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, sagte deshalb am Mittwoch: "Somit handelt es sich bei der jetzigen Fracking-Diskussion um viel Lärm um nichts."

Umweltverbände haben weiterhin große Befürchtungen

Obwohl Hendricks ausführlich darlegte, dass allein 20 Prozent der Landesfläche schon deshalb vor Fracking geschützt sind, weil die Technologie in sämtlichen Trinkwassereinzugsgebieten verboten werde, geht die Regelung Opposition und Umweltverbänden weiterhin nicht weit genug. Der grüne Vize-Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer behauptete am Mittwoch: "Mit diesem Gesetz öffnet die Bundesregierung Tür und Tor für eine Risiko-Technologie." Die Energiepolitikerin Julia Verlinden (Grüne) wirft dem Kabinett vor, "vor der Erdgas- und Bergbaulobby eingeknickt" zu sein. Und Nabu-Chef Olaf Tschimpke monierte: "Jede Erlaubnis von Fracking ist kontraproduktiv für die Energiewende."

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