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Politik: „Folter in Weißrusslands KGB-Gefängnis“ Angehörige wollen Präsident Lukaschenko verklagen

Berlin - Angehörige von politischen Gefangenen in Weißrussland wollen in Großbritannien Klage gegen den autoritär regierenden weißrussischen Staatschef Alexander Lukaschenko wegen Folter erheben. Die Familien beauftragten eine britische Anwaltskanzlei, sowohl straf- als auch zivilrechtliche Schritte gegen den Mann einzuleiten, der oft als „Europas letzter Diktator“ bezeichnet wird.

Berlin - Angehörige von politischen Gefangenen in Weißrussland wollen in Großbritannien Klage gegen den autoritär regierenden weißrussischen Staatschef Alexander Lukaschenko wegen Folter erheben. Die Familien beauftragten eine britische Anwaltskanzlei, sowohl straf- als auch zivilrechtliche Schritte gegen den Mann einzuleiten, der oft als „Europas letzter Diktator“ bezeichnet wird. Das teilte die Organisation „Free Belarus Now“ mit, in der sich Angehörige und Unterstützer der inhaftierten Oppositionellen zusammengeschlossen haben, darunter auch der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow, der tschechische Ex-Präsident Vaclav Havel und der Dramatiker Tom Stoppard. Nach der umstrittenen Präsidentenwahl am 19. Dezember waren in Weißrussland etwa 700 Oppositionelle, Journalisten und Bürgerrechtler festgenommen worden. Noch immer sind 29 Regimegegner in Haft, darunter zwei Präsidentschaftskandidaten. Zwei weitere Oppositionelle stehen unter Hausarrest, andere kamen unter Auflagen vorerst frei.

Auch Irina Bogdanowa, die Schwester des inhaftierten Präsidentschaftskandidaten Andrej Sannikow, unterstützt die Klage. „Wir können nicht daneben stehen und zusehen, wie unseren Angehörigen Unrecht angetan wird. Wir müssen versuchen, sie freizubekommen und diejenigen zu verfolgen, die für ihr Leid verantwortlich sind“, sagte sie nach Angaben von „Free Belarus Now“. Sollte die Klage erfolgreich sein, könnte Lukaschenkos Vermögen in Großbritannien und anderen Ländern eingefroren werden, so die Hoffnung der Aktivisten.

Der frühere Präsidentschaftskandidat Ales Michalewitsch ging in der vergangenen Woche mit aufsehenerregenden Anschuldigungen an die Öffentlichkeit. In einer Pressekonferenz berichtete der 35-Jährige von Folter und unmenschlicher Behandlung im Gefängnis des weißrussischen Geheimdienstes KGB. Noch in der Wahlnacht war Michalewitsch festgenommen worden, KGB-Agenten hatten seine Tür eingeschlagen und ihn mitgenommen. Dabei hatte er selbst an der großen Protestkundgebung im Zentrum von Minsk nicht einmal teilgenommen. Ihm wird jedoch vorgeworfen, „Massenunruhen“ organisiert zu haben. Im Fall einer Verurteilung droht dem Familienvater eine lange Haftstrafe. Zwei Monate lang saß er im KGB-Gefängnis. Er kam erst frei, nachdem er sich schriftlich zur „Zusammenarbeit mit dem KGB“ verpflichtet hatte. Dies widerrief Michalewitsch auf seiner Pressekonferenz: „Ich erkläre öffentlich, dass ich nie ein Agent des KGB war und nie einer sein werde“, betonte er.

„Etwa vom 26. Dezember an begannen sie, Folter gegen mich anzuwenden“, sagte er. Männer in schwarzen Masken zerrten ihn aus seiner Zelle in einen Kellerraum, fesselten seine Hände mit Handschellen hinter dem Rücken und drückten seine Arme immer weiter nach oben, „bis ich sagte, ich würde alle Forderungen erfüllen“. Mehrmals am Tag wurden die Gefangenen aus den Zellen geholt und mussten nackt in der Kälte in einer schmerzhaften Position ausharren. Nachts mussten sie sich mit dem Gesicht unter eingeschaltete Lampen legen, wer sich im Schlaf umdrehte, wurde geweckt. Das sei praktisch Folter durch Schlafentzug gewesen, sagte der Oppositionspolitiker. Die Zellen waren ungeheizt, es war nie wärmer als 10 Grad. 15 Gefangene teilten sich zeitweise eine Zelle, die nur acht Betten hatte.

Der KGB erklärte, Michalewitschs Bericht über „Folter“ entspräche nicht den Tatsachen und sei verleumderisch. Zugleich veröffentlichte der Geheimdienst einen handschriftlichen Brief des Politikers an Lukaschenko, in dem er die großen Verdienste des Staatschefs lobt. Die Schilderung des Politikers deckt sich allerdings zum Teil mit dem, was unabhängige Menschenrechtsorganisationen ermittelt haben. So berichtete Human Rights Watch nach der Befragung ehemaliger Häftlinge im Februar über die „unmenschlichen und erniedrigenden“ Haftbedingungen in Weißrussland.

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