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Forum Menschenrechte: "Regierung beschönigt Menschenrechtslage"

Der UN-Menschenrechtsrat in Genf hat sich am Montag erstmals mit der Lage der Menschenrechte in Deutschland befasst. Menschenrechtsexperten kritisierten den Bericht als "beschönigend".

Vertreter der Bundesregierung präsentierten in Genf den deutschen Staatenbericht, der neben weiteren Einschätzungen in eine Bewertung des Gremiums einfließen wird. Für die Bundesregierung stellten der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), und der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Peter Altmaier (CDU), den Bericht vor. Die Anhörung Deutschlands bildete den Auftakt zum diesjährigen Länderprüfverfahren, das noch bis zum 13. Februar dauert. Am Mittwoch will der Menschenrechtsrat seinen Bericht über Deutschland verabschieden.

Menschenrechtsorganisationen und -experten kritisierten den deutschen Bericht als verharmlosend. Sie warfen der Regierung unter anderem in den Bereichen Migration, Flüchtlinge, Gleichstellung und Armut eine Beschönigung der Menschenrechtssituation vor.

Kritik an Abschiebepraxis bei Terrorverdächtigen

Die UN-Expertin von Amnesty International (ai), Silke Voss-Kyek, sagte im Deutschlandfunk, der deutsche Bericht habe "mit der Realität nichts zu tun". Sie nannte unter anderem den Bereich des polizeilichen Fehlverhaltens. Dazu äußere sich die Regierung zu allgemein und nenne keine einzelnen Fälle.

Voss-Kyek kritisierte zudem die Praxis, durch sogenannte diplomatische Zusicherungen die Abschiebung von Terrorverdächtigen in Länder, in denen Folter drohen könnte, zu erleichtern. Sie warf der Bundesregierung vor, auf diese Weise zu versuchen, internationale Verpflichtungen für den Umgang mit Asylsuchenden zu umgehen. Die ai-Expertin kritisierte zudem die Pflicht für Behörden oder Ärzte, illegale Ausländer zu melden. Viele Menschen gingen aus Angst vor der Abschiebung nicht zum Arzt oder schickten ihre Kinder nicht zur Schule, sagte Voss-Kyek.

Rathgeber: "Der Bericht stoppt da, wo es interessant wird"

Kritik kommt auch von anderen Nichtregierungsorganisationen wie dem Forum Menschenrechte. Was die Regierung vor dem UN-Menschenrechtsrat präsentiere, sei eine "beschönigende Darstellung", sagte der Beobachter des Forums Menschenrechte, Theodor Rathgeber, am Montag am Rande der Anhörung. "Der Staatenbericht hinterlässt den Eindruck, als gebe es überhaupt keinen Handlungsbedarf", betonte er. Das Gegenteil sei der Fall.

Rathgeber kritisierte, die Situation von Flüchtlingen und Flüchtlingskindern werde in dem Bericht nicht berücksichtigt. Die sozialen Belange dieser Menschen träten in Deutschland in den Hintergrund. Zum Beispiel stehe grundsätzlich die Frage nach dem Fluchtweg und der Illegalität im Fokus, nicht die der Fluchtursache. Auch die Angaben zur Armut in Deutschland entsprächen nicht der Realität. "Der Bericht stoppt immer da, wo es interessant wird", kritisierte Rathgeber.

Toncar: "Deutschland muss die Kritik ernst nehmen"

Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, kritisierte am Rande der Sitzung in Genf, der Bericht der Bundesregierung sei "zu glatt" und benenne "nicht ausreichend bestehende Defizite". Auch Beck kritisierte die Pflicht, Illegale zu melden. Er bemängelte zudem, dass beim Ehegattennachzug der Nachweis von Sprachkenntnissen des Partners das "Recht auf Familienleben in Frage" stelle.

Der menschenrechtspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Florian Toncar, forderte die Bundesregierung auf, trotz des vergleichsweise guten Rufs Deutschlands im Bereich der Menschenrechte die Kritik ernst zu nehmen. Die Aussprache in Genf habe gezeigt, "dass gerade im Bereich des Flüchtlingsschutzes etwas getan werden muss". "Zu Recht" habe eine Reihe von Staaten auch ein besseres Integrationskonzept angemahnt und mehr Anstrengungen beim Kampf gegen fremdenfeindliche Gewalt gefordert.

Im Gegensatz zu seiner Vorgängerorganisation, der UN-Menschenrechtskommission, unterzieht der 2006 gegründete Menschenrechtsrat die Situation der Menschenrechte in allen UN-Mitgliedstaaten regelmäßig einer kritischen Prüfung. Bevor er seine Schlussfolgerungen zieht, betrachtet der UN-Menschenrechtsrat neben dem jeweiligen Staatenbericht auch den Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte sowie eine Zusammenfassung von Stellungnahmen von Nichtregierungsorganisationen. Zu den weiteren Staaten, die im Februar betrachtet werden, zählen Saudi-Arabien, Russland, China, Kuba, Nigeria und Mexiko. (sba/AFP)

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