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Politik: Fotokopierte Wahlzettel

Nach Pannen wird die abgebrochene Parlamentswahl in Nigeria jetzt abgehalten

Wenn es um große Versprechungen geht, sind Nigerias Politiker nicht zu schlagen. An guten Vorsätzen hat es in dem westafrikanischen Öl-Staat jedenfalls noch nie gemangelt. Auch nicht vor dem Superwahlmonat April: Nichts sollte an die verschiedenen Wahldebakel erinnern, die das Land seit dem Ende der Militärherrschaft vor zwölf Jahren erlebt hat, versprach Präsident Goodluck Jonathan noch im März voller Zuversicht. An drei aufeinanderfolgenden Wochenenden sollten die Nigerianer im April zur Urne schreiten, um zunächst das Parlament, dann den Präsidenten und schließlich auch noch die Gouverneure der 36 Bundesstaaten des großen Landes zu bestimmen.

Doch schon gleich zum Auftakt am 2. April wurde wieder einmal deutlich, wie groß die Diskrepanz zwischen Realität und Anspruch noch immer ist: Trotz eines Rekordbudgets für die neue unabhängige Wahlkommission und eines völlig überarbeiteten Wählerregisters wurde der Startschuss zum Wahlmarathon von dem obligatorischen Chaos überschattet. Vielerorts fehlten Stimmzettel und Wahlhelfer. So groß war das Durcheinander, dass sich der Vorsitzende der Wahlkommission, Attahiru Jega, schließlich gezwungen sah, die Parlamentswahl im ganzen Land abzubrechen - und um eine Woche zu verschieben. So wurde am gestrigen Sonnabend nun ein weiterer Versuch unternommen, ein neues Parlament zu wählen. Ersten Prognosen zufolge konnte die Kongresspartei (CPC) von Präsidentschaftskandidat Muhammadu Buhari in vielen Bundesstaaten starke Zugewinne verzeichnen. Verluste musste die regierende Demokratische Partei (PDP) von Präsident Goodluck Jonathan hinnehmen.Die Präsidentschafts- und Gouverneurswahlen sollen nun, vorausgesetzt, alles läuft nach Plan, am nächsten und übernächsten Wochenende folgen. Vor allem die Wahl des Präsidenten gilt als wichtiger Test für die Demokratie im bevölkerungsreichsten Staat Afrikas. Mit seinen rund 140 Millionen Einwohnern ist der Vielvölkerstaat eine regionale Großmacht - und die zweitgrößte Volkswirtschaft südlich der Sahara hinter Südafrika.

Nach Ansicht des nigerianischen Beobachters Mohammed Jameel Yushau ramponieren die neuerlichen Verzögerungen die Glaubwürdigkeit der Wahlkommission. Um die üblichen Wahlfälschungen diesmal zu vermeiden, sollte das Aussehen der Stimmzettel eigentlich bis zuletzt geheim bleiben. Durch die zunächst begonnene und dann auf halber Strecke abgebrochene Parlamentswahl haben die Politiker die Zettel nun jedoch gesehen - und können jetzt womöglich Fotokopien davon anfertigen, mit denen sie die Wahlurnen füllen.

Auch kam es wieder zu Anschlägen: Am Freitag, einen Tag vor der Parlamentswahl, wurden mehr als ein Dutzend Menschen getötet. Wie im Rest des Kontinents haben Wahlen in Afrika Auswirkungen bis in die kleinste Verästelung der Gesellschaft, weil es letzten Endes darum geht, wer in den nächsten Jahren an den Fleischtöpfe des Staates gelangt: Viele Politiker setzen deshalb auf massive Wahlfälschungen und Einschüchterungstaktik durch gekaufte Schläger.

Im Mittelpunkt der Wahl stehen auch diesmal die gleichen Fragen wie in den letzten Jahren: Gewalt, Korruption und vor allem der eklatante Strommangel. Seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie im Jahre 1999 ist es immer wieder zum Ausbruch blutiger Unruhen mit Hunderten von Toten zwischen den ethnischen Gruppen gekommen, zuletzt vor allem um die Stadt Jos, einer christlichen Enklave in Zentralnigeria. Auch im ölreichen Nigerdelta bleibt die Lage angespannt, weil die örtlichen Gruppen glauben, noch immer nicht in ausreichendem Maße an den Geldeinnahmen beteiligt zu sein. Ebenso ungelöst bleibt die Situation im Energiesektor: Stromausfälle sind in Nigeria an der Tagesordnung und bremsen die wirtschaftliche Entwicklung massiv. Obwohl seine Regierungen in den letzten 12 Jahren fast 12 Milliarden Euro in den Ausbau der Stromversorgung gesteckt haben, produziert das Land nur geradezu lächerliche 4000 Megawatt Elektrizität. Dabei bräuchte das Land für seine Industrialisierung mindestens das Zwanzigfache, auch um international wettbewerbsfähig zu werden. Doch davon ist das Land ebenso weit entfernt wie von politischer Stabilität.

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