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Politik: Fräulein Angelas Ritterspiele: Was Koch mit dem Doppelpass schaffte, kann Merkel bei der Homo-Ehe nicht gelingen (Kommentar)

Es war einmal ein junger Ritter, der wollte gerne König werden. Weil sie im Lande Hessen aber mittlerweile die Demokratie eingeführt hatten, musste er um das Herz des Volkes werben.

Von Robert Birnbaum

Es war einmal ein junger Ritter, der wollte gerne König werden. Weil sie im Lande Hessen aber mittlerweile die Demokratie eingeführt hatten, musste er um das Herz des Volkes werben. Da schickte der Ritter seine Boten aus und ließ auf den Marktplätzen verkünden, der Kaiser im fernen Preußen wolle die Mauren, die Hunnen und andere Fremdländische ins Land holen. Nur wenn man den Ritter zum König mache, sei die Invasion zu verhindern. Da haben ihn die Leute tatsächlich gewählt.

Das Märchen vom Ritter Roland haben sie sich in der Berliner CDU-Zentrale offenbar so oft gegenseitig als Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen, bis jemand auf die Idee gekommen ist, der schöne Erfolg müsse doch zu wiederholen sein. Und nun hat also die Ritterin Angela eine Kampagne gegen die rot-grünen Pläne zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft in Gang gesetzt.

Taktisch wirkt das auf den ersten Blick nicht ungeschickt. Das Thema löst Polarisierungen aus; es passt zu einer Partei, in der die traditionelle Ehe hohen Stellenwert hat. Außerdem kann die Union - anders als bei der Steuerreform - den Feldzug nicht total verlieren: Dass der jetzt vorliegende, maßgeblich von den Grünen befürwortete Gesetzentwurf unverändert bleibt, glaubt niemand.

Doch was taktisch attraktiv erscheinen mag, kann strategisch ein Fehler sein. Merkel hat als Generalsekretärin eine gesellschaftspolitische Modernisierung der CDU eingeleitet - dass in CDU-Programmschriften der Begriff "Familie" nicht mehr nur verheirateten Paaren mit Kindern zugestanden wird, ist ihr Werk. Eine Kampagne gegen die "Homo-Ehe" hingegen appelliert - ob man das will oder nicht - an alte Vorurteile; so wie es Kochs Doppelpass-Coup ja auch getan hat. Koch hatte freilich kein Imageproblem damit, sich als brutalstmöglicher Gegenaufklärer zu geben und Beifall aus der falschen Ecke in Kauf zu nehmen. Darum hat seine Kampagne funktioniert: Partei, Thema und Person passten nahtlos zusammen.

Merkel wird ein Imageproblem kriegen. Denn Thema und Person passen eben nicht zusammen. Die CDU-Chefin wird zu oft erklären müssen, dass die Kampagne ja gar keine "richtige" Kampagne sei, will sie verhindern, dass ihre Anhängerschaft im liberalen Teil der Union an ihr zweifelt. Wenn sich aber über erfolgreiche Oppositionsstrategien von Koch, auch von Gerhard Schröder etwas lernen lässt, dann dies, dass die Protagonisten und ihre Programme stimmig zueinander passen müssen - und sei es, wie im Falle Schröder, in der Unschärfe in beidem.

Was passiert, wenn es an dieser Stimmigkeit fehlt, hat Jürgen Rüttgers in Nordrhein-Westfalen vorgeführt. Die Parole "Kinder statt Inder" hat auch deshalb keinen überzeugt, weil keiner dem intellektuellen Ex-Zukunftsminister den Populisten abnahm. Strategisch übrigens befördert sich Merkel mit der Kampagne wider die "Homo-Ehe" genau da hin, wo Schröder sie gerne hätte: in die rechte Ecke. Und wer wird am Ende den tragfähigen Kompromissentwurf vorlegen? Genau: die FDP. Dann wird wieder großes Jammern bei der Union sein. Vielleicht sollten sie in der CDU-Zentrale neue Bettlektüre einführen. Wie wäre es mit Don Quichotte - als Gegengift gegen Rittermärchen?

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