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Politik: Fragen Sie nicht Ihren Politiker

Von Gerd Appenzeller

Ja, es stimmt schon. Die große Koalition kann am ehesten die Gesundheitsreform schultern, sagt Wolfgang Böhmer, heute Ministerpräsident, einstmals Chefarzt, also einer, der etwas von krank und gesund versteht. Wenn das Wort Reform nur die neue Buchstabierweise für den alten Begriff Rosskur ist, dann machen das SPD und Union lieber gemeinsam, denn, nicht wahr, wer mit dabei war, kann hinterher nicht sagen, er sei es nicht gewesen. Aber bedeutet das auch, dass man zusammen etwas durchbringen muss, was fast alle Betroffenen für falsch halten, nur um überhaupt etwas getan zu haben? Von dem im Frühsommer zwischen den Koalitionspartnern gefundenen Kompromiss in Sachen Gesundheit steht bisher nur eines fest: Es wird für den Bürger teurer. Das ist nicht untypisch für diese Bundesregierung.

Es wäre also nicht überraschend, wenn jene Ministerpräsidenten der Union, die sich im Jahre 2008 Landtagswahlen stellen müssen, die Vorstellung erhöhter Krankenkassenbeiträge nicht direkt als förderlich empfänden. Genau dazu aber wird es mit dem Gesundheitsfonds kommen, in den alle Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherungen fließen sollen, insgesamt fast 150 Milliarden Euro im Jahr. Kein Wunder, dass angesichts einer solchen Summe die Vorstellung noch nicht aus der Welt ist, da müsse eine „Bundesverwaltung für den Beitragseinzug“ eingerichtet werden …

Der Fonds zahlt dann an die Krankenversicherungen einheitliche Pro-Kopf- Beiträge aus. Da die Durchschnittsverdienste im Süden höher sind als im Osten, kommt das einem erheblichen Mittelverlust für die Krankenkassen – und damit deren Versicherte – zum Beispiel in Bayern und Baden-Württemberg gleich. Er liegt deutlich über dem Risikostrukturausgleich, mit dem jetzt schon die Kassen untereinander berücksichtigen, dass die Kosten durch Überalterung und Arbeitslosigkeit regional stark unterschiedlich sind. Weil das aber alles zwar kompliziert, aber keine kostensparende Reform ist, dürfen die Kassen eine Zusatzprämie erheben, wenn sie mit dem Geld nicht auskommen.

Man muss kein Gesundheitsexperte sein, um zu erkennen, dass mit dieser gigantischen Geldumverteilungsmaschinerie kein einziges Problem unseres Gesundheitswesens gelöst wird. Da ist, erstens, das Zwei-Klassen-Kassen-Recht: In private Krankenversicherungen kommt nur, wer selbständig oder sehr gut verdienend ist. Die privaten Versicherungen gestalten ihre Prämien nach dem Alter und dem Risiko, sie können Anträge auf Aufnahme ablehnen oder bestimmte Krankheiten ausschließen. Die gesetzlichen Krankenversicherungen müssen jeden aufnehmen, sie dürfen niemanden wegen einer Erkrankung ausschließen und gestalten ihre Beiträge nach dem Einkommen. Wer bei der Reform des Gesundheitswesens nicht versucht, weit mehr sinnvolle Elemente der einen Versicherungsgruppe als bisher auf die andere zu übertragen, wird scheitern.

Warum setzt, zweitens, die gesamte Gesundheitsreform nicht mehr auf Stärkung der Eigenverantwortung, warum honoriert sie Prävention nicht stärker, warum kümmert sie sich wenig um Suchtverhalten oder um selbst verschuldetes Übergewicht? Warum werden Ärzte und andere Medizindienstleister nicht gehalten, exakte Rechnungen auch für gesetzlich Versicherte zu erstellen, warum gibt es keinen sozial gestaffelten Selbstbehalt und entsprechende Tarifangebote? Warum fehlt oft eine umfangreiche gesundheitliche Aufklärung durch die Krankenkassen? Jeder Versicherungsmathematiker kann zum Beispiel den Zusammenhang zwischen Bildungsgrad und falscher Ernährung nachweisen – sage niemand, es sei eine reine Geldfrage, ob sich jemand mit Pommes frites und Mayonnaise vollstopft oder nicht.

Von solchen Ideen, geschweige von mehr Wettbewerb ist in der geplanten Reform kaum etwas zu finden. Man muss nicht ein um seine Wiederwahl fürchtender Ministerpräsident sein, um zu sagen: Besser keine als diese Reform. Nachbessern hilft da nicht viel. Noch einmal von vorne, das müsste die Devise sein. Sonst fragen Sie besser nicht Ihren Abgeordneten nach der Gesundheitsreform.

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