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Ein von der Metropolitan Police zur Verfügung gestelltes Luftbild vom 11.12.2013 zeigt die aus dem Nebel ragenden Wolkenkratzer von London, Großbritannien.

© Mps In The Sky/METROPOLITAN POLICE/dpa

Fragen und Antworten zum Urteil des Supreme Courts: Bremse für den Brexit?

Ist nach dem Brexit-Referendum schon alles entschieden? Oder dürfen das britische Parlament und die Regionen noch mitreden? Der britische Supreme Court fällt ein mit Spannung erwartetes Grundsatzurteil.

Bis Ende März will die britische Premierministerin Theresa May die Austrittserklärung aus der EU nach Brüssel schicken. Zwei Jahre später soll der Brexit unter Dach und Fach sein. Ein ambitionierter Plan. Ein Urteil des obersten Gerichts in London an diesem Dienstag könnte ihr dabei in die Quere kommen.

Worum geht es bei dem Gerichtsverfahren?

Es gibt noch viele Fragen beim Brexit, aber diese macht die Regierung unruhig: Hat das Parlament trotz des Votums des Volkes ein Mitspracherecht, bevor die Austrittserklärung nach Brüssel geschickt wird? Auch die Regierungen von Schottland, Wales und Nordirland wollen mitentscheiden. Sie warten deshalb ebenfalls gespannt auf das Urteil der elf Richter des Supreme Courts. Der Fall ist auch deshalb so kompliziert, weil es in Großbritannien keine geschriebene Verfassung gibt - das lässt viel Spielraum für Interpretation.

Wer hat geklagt und warum?

Den Prozess brachte eine Gruppe um die politische Aktivistin Gina Miller ins Rollen. Sie will nach eigenen Worten den Brexit nicht stoppen, es geht ihr um die Art und Weise des Ausstiegs aus der EU. Ihr Argument: In einer parlamentarischen Demokratie müsse das Parlament das letzte Wort haben, das Referendum sei nur eine Empfehlung. Der High Court folgte dem und bestätigte das Mitspracherecht. Doch die Regierung legte Berufung beim höchsten Gericht ein. Mays Argument: Das Votum beim Referendum sei ein klarer Handlungsauftrag durch das Volk und eine weitere Abstimmung unnötig.

Welchen Einfluss hätte ein Sieg der britischen Brexit-Gegner?

An dem geplanten Ausstieg aus der EU ist nicht mehr zu rütteln. „Brexit heißt Brexit“, lautet das Mantra der Regierungschefin. Und auch der Vorsitzende Richter am Supreme Court, David Neuberger, stellte klar, es sei nicht das Ziel, „das Ergebnis des Referendums zu kippen“. Es gehe nur um rechtliche Fragen. Sollten dem Parlament Mitspracherechte zugebilligt werden, könnte das aber Inhalte und Zeitplan verändern. Die Mehrheit der Parlamentarier gilt als EU-freundlich und könnte die Regierungslinie eines „harten Brexit“ etwas aufweichen. Womöglich ist der Termin Ende März dann nicht zu halten. Vor allem wenn auch die Regionen Schottland, Wales und Nordirland mitreden dürfen, wird es eng. Schottland will mit der EU verbandelt bleiben. Nordirland steckt in einer Regierungskrise.

Was kann das Urteil für die Verhandlungen mit der EU bedeuten?

EU-Chefunterhändler Michel Barnier will das Scheidungsgesuch aus London sobald wie möglich. Denn er weiß: Die in den EU-Verträgen vorgegebene Trennungszeit von zwei Jahren ist sehr knapp. Die für Frühjahr 2019 geplante Europawahl setzt den Rahmen - es wäre wohl unsinnig, noch einmal für eine Übergangsfrist britische Abgeordnete wählen zu lassen. Das jetzige Parlament bräuchte Zeit, den Ausstiegsvertrag mit Großbritannien zu ratifizieren. Barnier will die Verhandlungen mit London deshalb bis Oktober 2018 abschließen. Käme das Scheidungsgesuch später, wüchse der Zeitdruck.

Was muss eigentlich so langwierig verhandelt werden?

Barniers Team muss mit der britischen Regierung Hunderte Aspekte klären, und zwar in zwei Schritten, wie der Unterhändler klarstellte: erst die bisherigen Verbindungen trennen, dann die künftigen Beziehungen klären. Bei der Entflechtung geht es grob gesagt um vertraglich festgelegte Rechte und Pflichten Großbritanniens: Was wird mit britischen Zusagen in dem über 2019 hinausgehenden Finanzplan? Wie werden die internationalen Klimaschutzpflichten der EU auseinanderklamüsert? Was passiert mit der gemeinsamen Agrarpolitik? Mit den Fischfangquoten? Den Handelsverträgen mit Kanada oder Singapur? Mit der EU-Außengrenze zwischen Irland und Nordirland? Mit Gibraltar? Mit der Verteidigungspolitik und Terrorbekämpfung? Das sind nur wenige Beispiele.

Wo liegen die Knackpunkte?

Für die knapp drei Millionen EU-Bürger in Großbritannien und die mehr als eine Million Briten auf dem Kontinent ist vor allem eine Frage zentral: Dürfen sie bleiben und behalten sie ihre bisher von der EU garantierten Rechte - vom Aufenthalt über die Arbeitserlaubnis bis hin zu Besitzrechten wie Einheimische? Sowohl für London als auch für Brüssel steht das ganz oben auf der Tagesordnung. Für beide Seiten entscheidend ist zudem die Frage, wie sie künftig wirtschaftlich zusammenarbeiten. Mays Ansage ist klar: Sie will raus aus dem EU-Binnenmarkt, um den freien Zuzug von EU-Bürgern zu stoppen. Stattdessen will sie ein ambitioniertes Freihandelsabkommen. Für Barnier ist das erst der zweite Schritt nach einer sauberen Trennung.

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