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Politik: Fragen von der Heimatfront

Die Stimmung im US-Kongress hat sich gedreht: Die Kritik am amerikanischen Einsatz im Irak nimmt zu

Die Attacke erwischte Donald Rumsfeld auf dem falschen Fuß. Sechs Minuten nahm sich der demokratische Senator Edward Kennedy im Streitkräfteausschuss des Senates Zeit für seine Tirade, die in einer Rücktrittsforderung an den US-Verteidigungsminister gipfelte. Der Angegriffene guckte irritiert, holte tief Luft und sagte dann mit unterdrücktem Ärger: „Herr Senator, ich habe dem Präsidenten zweimal meinen Rücktritt angeboten, doch er hat sich entschieden, ihn nicht anzunehmen.“ Dass der Tag auf dem Kapitolshügel mit dem Themenschwerpunkt Irak für Rumsfeld und die ihn begleitenden Militärführer kein Spaziergang im Park werden würde, war vorherzusehen. Doch mit so scharfen Angriffen hatten weder das Pentagon noch das Weiße Haus gerechnet.

Unter dem Eindruck sinkender Umfragewerte zu Hause, nicht nachlassender Angriffe im Irak und mehr als 1 700 toten US-Soldaten seit Beginn der Invasion im März 2003 hat sich die Stimmung im US-Kongress in den vergangenen Wochen gedreht. War es nach der Wiederwahl von Bush um das Thema relativ ruhig geworden, flammen die alten Diskussionen jetzt mit neuer Schärfe auf. Erwartungsgemäß stehen die Demokraten an der Spitze der Kritiker, doch auch eine zunehmende Zahl von Republikanern bekommen kalte Füße.

So beklagte sich etwa Chuck Hagel kürzlich, das Weiße Haus leide unter Realitätsverlust, es ignoriere die Verschlechterung der Lage im Irak. Parteifreund Lindsey Graham hielt Rumsfeld vor: „Wir werden diesen Krieg verlieren, wenn wir das Land bald verlassen. Aber was kann uns dazu bringen? Dass die öffentliche Meinung weiter in den Keller geht. Genau das passiert, und es besorgt mich sehr.“ Eine Entwicklung, die auch dem US-Militär nicht entgangen ist. Die Zuversicht der kämpfenden Truppen sei noch nie höher gewesen, sagte etwa der Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen im Persischen Golf, General John P. Abizaid, „aber die Zuversicht in der Heimat war noch nie geringer.“

Sowohl er als auch Rumsfeld distanzierten sich vorsichtig von der Einschätzung des US-Vizepräsidenten Dick Cheney, die Widerständler im Irak lägen „in den letzten Zügen“. Danach direkt befragt, murmelte Rumsfeld ärgerlich, er habe den Ausdruck nicht verwendet. Abizaid antwortete mit Fakten. Nach seiner Einschätzung strömten mehr Widerständler von außerhalb in den Irak als noch vor sechs Monaten. Insgesamt stießen die US-Truppen etwa auf die gleiche Gegenwehr wie vor einem Jahr.

Sorgen um die Grenzen seines Landes, die noch immer nicht gesichert seien, äußerte auch der irakische Regierungschef Ibrahim al-Dschafari vor seinem Treffen mit US-Präsident George W. Bush am Freitag. Gleichwohl verbessere sich die Lage seines Landes langsam, aber stetig, sagte er vor dem Council on Foreign Relations in New York. Der irakische Ministerpräsident warnte ausdrücklich davor, einen Zeitplan für den Abzug der US-Truppen aufzustellen.

Am Ende des Schlagabtausches auf dem Kapitolshügel gab sich nur einer gänzlich ungerührt: Dick Cheney. In einem Interview mit CNN bekräftigte er seine Einschätzung über den irakischen Widerstand. Dann bereicherte er die Diskussion um einen neuen Vergleich. Die Situation im Mittleren Osten erinnere ihn an die letzten Monate des Zweiten Weltkrieges, sagte er, als die deutschen Truppen ihre letzte Offensive starteten und die Japaner harten Widerstand in Okinawa leisteten.

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