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Politik: Fragile Macht

Nach 100 Tagen lässt Polens Regierung noch immer Stabilität vermissen

Mit einer Werbekampagne will Polens nationalkonservative Regierungspartei PiS die Verdienste ihres Minderheitskabinetts zum 100-tägigen Amtsjubiläum ins rechte Licht rücken. Gleichwohl fällt die Zwischenbilanz der Regierung von Premier Kazimierz Marcinkiewicz rundum ernüchternd aus.

Den Aufbruch in eine neue, bürgergerechte „Vierte Republik“ hatte die PiS im Wahlkampf versprochen. Doch statt der Erneuerung haben die Nationalkonservativen ihren Landsleuten eine endlose Dauerkrise beschert. Stabile Mehrheiten sind trotz eines „Stabilitätspakts“ mit den populistischen Kräften im Sejm nicht in Sicht. Mit den einstigen Wunschpartnern der rechtsliberalen PO hat sich die PiS hoffnungslos zerstritten, stattdessen die populistischen Extremisten der rechtsklerikalen LPR und der Bauernprotestpartei Samoobrona hoffähig gemacht. So richtig wollen die Nationalkonservativen die Macht mit ihren neuen Bündnispartnern allerdings nicht teilen. Statt in einer Koalition mitzuregieren, müssen sich die populistischen Hilfstruppen mit einem „Pakt“ bescheiden. Mit der Drohung von Neuwahlen und personellen Zugeständnissen hat sich die PiS die unberechenbaren Partner vermutlich nur vorläufig gefügig gemacht.

Konsequent hat die PiS nur ihre Gefolgschaft in die Amtsstuben lanciert. Statt zu regieren, verliert sich die PiS in Vetternwirtschaft und verfassungsrechtlich fragwürdigen Winkelzügen. Im Gegensatz zu PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und dessen im Präsidentenpalast weitgehend abgetauchten Zwillingsbruder Lech kann sich Premier Marcinkiewicz persönlich zwar immer noch hoher Popularitätswerte erfreuen. Ohne eigene Mehrheit im Sejm ist der Spielraum für den eifrig durch Altersheime und Schulen tingelnden Regierungschef allerdings begrenzt.

Die Populisten haben der Regierung zusätzliche Sozialleistungen wie die Erhöhung des Wiegengelds abgerungen. Doch die kostspieligen Zugeständnisse lassen Polens Defizit zunehmend aus dem Ruder laufen. Schlüssige Strategien sind in dem hastig zusammengestoppelten Kabinettsprovisorium, in dem bereits zwei Schlüsselminister ihren Platz räumen mussten, kaum zu erkennen. Noch immer hat der Präsident den Haushalt für das laufende Jahr nicht abgesegnet. Der Posten des Schatzministers ist seit Wochen verwaist, die Wirtschaft zunehmend beunruhigt.

Auf dem außenpolitischen Parkett geben sich Polens neue Machthaber im Gegensatz zu ihrem Wahlkampfgepolter etwas pragmatischer, ohne ihren Mangel an internationaler Erfahrung jedoch verbergen zu können. Merkwürdig mutet die Vernachlässigung der Beziehung zum benachbarten Deutschland an: Weder der Premier noch sein Außenminister oder der seit Weihnachten amtierende Präsident haben in 100 Tagen die Zeit für eine Visite beim größten EU-Partner gefunden.

Thomas Roser[Warschau]

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