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Politik: Fragwürdiger Fragebogen

Stuttgarts Prüfung muslimischer Einwanderer stößt in Berlin auf Kritik – die Grünen laden zum Klagen ein

Berlin - Als der Berliner Integrationsbeauftragte, Günter Piening, den neuen „Gesprächsleitfaden für die Einbürgerungsbehörden“ in Baden-Württemberg zum ersten Mal gesehen hat, dachte er: „Das ist eine Fälschung.“ Seit dem 1. Januar legen die baden-württembergischen Ausländerämter einbürgerungswilligen Muslimen nicht mehr nur eine Erklärung über deren Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung vor, sondern einen Bogen mit 30 Fragen, welche die „tatsächliche innere Einstellung“ der Bewerber ergründen sollen.

Einige Beispiele: Soll die Frau ihrem Ehemann gehorchen? Darf er sie schlagen, wenn sie ihm nicht gehorsam ist? Wie wäre die eigene Reaktion auf einen „homosexuellen Sohn“? Piening nennt einige davon sogar „Fangfragen“. Wie etwa diese: „Ihre Tochter kommt nach Hause und erzählt, sie sei sexuell belästigt worden. Was tun Sie als Vater?“ Die Gesinnungsprüfung enthält aber auch die etwas rätselhafte Frage: „Ihre Tochter bewirbt sich um eine Stelle in Deutschland. Sie bekommt jedoch ein ablehnendes Schreiben. Später erfahren Sie, dass eine Schwarzafrikanerin aus Somalia die Stelle bekommen hat. Wie verhalten Sie sich?“ Für die SPD-Landtagsabgeordnete Inge Utzt ist diese Frage einfach „rassistisch“.

Für Günter Piening ist der Fragebogen eine „Lex Islam, mit der der Islam unter Generalverdacht gestellt wird“. Integrationspolitisch sei der Schaden dieses aus seiner Sicht auch rechtlich fragwürdigen Verfahrens immens. In Berlin sei der Islam inzwischen die drittgrößte Religionsgemeinschaft. Der Fragebogen sei eine „klare Diskriminierung“, sagte Piening dem Tagesspiegel, und völlig kontraproduktiv: „Wir wollen doch, dass die Leute sich einbürgern und mitentscheiden.“ Der Ausländerbeauftragte der Stuttgarter Landesregierung, Justizminister Ulrich Goll (FDP), hat es bisher vorgezogen, zu dem Fragebogen zu schweigen. Schließlich sei er Sache des Innenministeriums.

In Baden-Württemberg selbst hat sich die Aufregung über den Fragebogen bisher in Grenzen gehalten. Die grüne Landtagsabgeordnete Brigitte Lösch vermutet jedoch, dass dies vor allem daran liegt, dass seine Einführung kurz vor Weihnachten bekannt geworden ist. Wie Inge Utzt hält auch Brigitte Lösch den Fragebogen für diskriminierend. Sie ist aber zudem überzeugt, dass „man damit doch gar nichts erfahren kann“. Sollte ein Betroffener gegen den Fragebogen klagen, „wird er bei uns Unterstützung finden“, sagte sie dem Tagesspiegel. Inge Utzt findet, wenn schon ein Fragebogen entworfen würde, müsse er sich an alle richten, „und er sollte intelligenter sein“.

Im Jahr 2004 sind insgesamt 127 150 Ausländer deutsche Staatsbürger geworden. Baden-Württemberg hatte daran einen Anteil von 1,5 Prozent. Zahlen für das vergangene Jahr liegen noch nicht vor.

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