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Schatten der Kanzlerin. Frank-Walter Steinmeier während eines Gesprächs mit Angela Merkel.

© AFP

Frank-Walter Steinmeier: Die halbe Welt in einer Woche

Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist im Dauereinsatz – doch Parteifreunde machen ihm das Leben schwer. Dabei leistet er unermüdliche Arbeit, um der deutschen Außenpolitik Geltung zu verschaffen.

Von Hans Monath

Nach nur wenigen Stunden Zwischenstopp in Berlin fliegt Frank-Walter Steinmeier an diesem Wochenende schon wieder zum nächsten Krisenherd der Weltpolitik. Am frühen Morgen wollte der Außenminister am heutigen Sonnabend nach Wien starten, um an der Schlussrunde der Verhandlungen zum iranischen Atomprogramm teilzunehmen.

Dabei sollte der Airbus mit dem Minister erst kurz vor ein Uhr nachts am Sonnabend von einer dreitägigen Südafrika- Reise zurückkehren – der vierten Auslandsreise in einer Woche. Am vergangenen Wochenende hatte sich Steinmeier bemüht, in Ramallah und Jerusalem zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln. Nach dem Brüsseler EU-Außenministertreffen am Montag versuchte er in Kiew und Moskau eine Eskalation der Lage in der Ostukraine zu verhindern, am Mittwoch startete er nach Pretoria. Rund 25 000 Flugkilometer kamen in der Woche zusammen – eine Dimension die an Hans-Dietrich Genscher erinnert. Über den Rekord-Außenminister wurde gewitzelt, er sei sich bei seinen zahllosen Reisen einmal selbst in der Luft begegnet.

Den Verzicht auf die Kanzlerkandidatur der SPD hatte Steinmeier vor zwei Jahren noch mit Rücksichtnahme auf seine nierenkranke Frau begründet. Doch der Ukraine-Konflikt, der Vormarsch der Terrormiliz „Islamischer Staat“, die Gewaltausbrüche im Nahen Osten und auch die Ebola-Krise fordern den 58-Jährigen in seiner zweiten Amtszeit stärker, als vorhersehbar war. Im Auswärtigen Amt wird sein Einsatz ebenso geschätzt wie von den Bürgern: 70 Prozent sind mit seiner Arbeit zufrieden, im aktuellen Deutschlandtrend der ARD liegt er auf Platz eins, sogar noch vor Angela Merkel.

Enge Zusammenarbeit mit Angela Merkel

Während Steinmeiers erste Amtszeit (2005 bis 2009) von offenen Differenzen mit der Kanzlerin geprägt war – Stichwort Menschenrechte oder Einbindung Syriens –, arbeiten beide in den aktuellen Krisen eng zusammen. Unterschiede gibt es allenfalls in der Tonlage wie nun nach der Russlands-Rede Merkels in Australien. Beide Seiten dementieren glaubhaft, dass es im Umgang mit Moskau verschiedene politische Ansätze gebe.

Von ihrem Minister erwarten die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes traditionell, dass er machtpolitisch eine wichtige Rolle spielt. Zwar ist Steinmeier nicht Vizekanzler, aber seine Beiträge werden international so sehr geschätzt, dass seine Diplomaten nicht über mangelnde Bedeutung des eigenen Hauses klagen müssen.

Zudem überbrückt Steinmeier eine Schwachstelle der Merkelschen Außenpolitik. Denn die Kanzlerin unternimmt keine Anstrengung, den Deutschen die Notwendigkeit und Risiken eines größeren außen- und sicherheitspolitischen Engagement Deutschlands zu erklären. Dass Steinmeier einen Neuaufbruch auf diesem Feld nicht nur propagiert, sondern diesen in einem aufwendigen Diskussionsprozess mit Wissenschaft und Bürgern auch zu vermitteln versucht („Review 2014“), rechnet ihm die außenpolitische „Community“ hoch an.

Eingeengt wird Steinmeiers Handlungsspielraum durch die Erwartungen der eigenen Partei: Die Sozialdemokraten verstehen sich traditionell als „Friedenspartei“ – gegen machtpolitische Antworten, die nun notwendig werden können, sperren sie sich. Zudem unterminieren Helmut Schmidt, Gerhard Schröder und Matthias Platzeck seine Politik, indem sie für Russlands Position werben.

Obwohl Steinmeier seinem Förderer Schröder offen nur widerspricht, wenn es sich nicht vermeiden lässt, ist das Verhältnis merklich abgekühlt. Schröder musste zur Kenntnis nehmen, dass Steinmeier seinem Rat nicht folgt. Als der Altkanzler vor Wochen gefragt wurde, ob Steinmeier dem amerikanischen Drängen auf schärfere Sanktionen gegen Russland widerstehen könne, antwortete er: „Da vertraue ich ihm. Noch.“ Bei der Autorisierung des Interviews strich er dann das Wort „noch“. Den Hinweis darauf, dass er seinem einstigen Helfer bald misstrauen könnte, wollte der Altkanzler dann doch nicht gedruckt sehen.

Merkel und Steinmeier ist bewusst, dass Putin den kleinsten Haarriss in ihrer Politik gegenüber Russland nutzen würde, um erst die deutsche und dann die europäische Position zu zerstören. Das allein ist schon ein starkes Argument dafür, sich genauestens abzustimmen.

Für die Kanzlerin aber gibt es noch ein zweites Motiv, auch in der Sprache nahe bei Steinmeier zu bleiben, analysiert ein Unionspolitiker, der sie gut kennt. Sobald Merkel dauerhaft einen schärferen Ton als ihr Außenminister anschlägt und diesem das Werben um einen Ausgleich überlässt, würde sich die SPD noch stärker als „Friedenspartei“ anpreisen. Merkel bliebe nur die Rolle der außenpolitischen Scharfmacherin – ein Part, der in Deutschland nicht mehrheitsfähig ist.

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