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Neue Töne im Ukraine-Konflikt. Frank-Walter Steinmeier am Dienstag in Moskau.

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Frank-Walter Steinmeier zu Gast bei Wladimir Putin: Neue Töne in Moskau

Bei seinem Besuch in Moskau ist Außenminister Frank-Walter Steinmeier überraschend von Präsident Wladimir Putin zu einem Gespräch eingeladen worden. Trotz anhaltend schwerer Differenzen über die Ukraine bemühen sich Deutschland und Russland offenbar um eine vorsichtige Wiederannäherung.

Bei seinem Besuch in Moskau ist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Dienstagabend nach seinem Gespräch mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow völlig überraschend von Präsident Wladimir Putin zu einem Gespräch eingeladen worden. Thema war die Ukraine-Krise. Das „ernsthafte und offene Gespräch“ im Kreml könne womöglich „neue Perspektiven der Kooperation eröffnen“, um Wege aus dem Konflikt zu finden, verlautete im Anschluss aus Delegationskreisen.

Trotz anhaltend schwerer Differenzen über die Ukraine bemühen sich Deutschland und Russland offenbar um eine vorsichtige Wiederannäherung. Steinmeier mahnte in Moskau zu gemeinsamen Anstrengungen bei anderen Krisenherden der internationalen Politik. Als Beispiel nannte er die Atomverhandlungen mit dem Iran und den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Steinmeier und der russische Außenminister Sergej Lawrow machten bei einer gemeinsamen Pressekonferenz aus der unterschiedlichen Bewertung des Konflikts im Osten der Ukraine keinen Hehl. Steinmeier sprach von einer „wirklich ernsthaften Krise für die europäische Friedensordnung“. Zuvor schon hatte er nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko vor einer „militärischen Großkonfrontation“ gewarnt. Steinmeier forderte alle Konfliktparteien auf, die bereits im September geschlossenen Waffenstillstandsvereinbarungen von Minsk endlich einzuhalten. Zugleich mahnte er: „Es ist aber auch Zeit, jenseits von Ukraine zu denken. Wir haben mit ein paar anderen Bedrohungen weltweit fertig zu werden.“

Russland will Minsk-Prozess fortsetzen

Russland ist nach Lawrows Worten bereit, den sogenannten Minsk-Prozess „ohne Vorbedingungen“ fortzusetzen. Zugleich beschuldigte er jedoch die Führung in Kiew, die Vereinbarungen zu torpedieren. Zum deutsch-russischen Verhältnis meinte der Minister: „Trotz aller Unterschiede, wie wir die Lage in der Ukraine beurteilen, ist wichtig, dass der Dialog zwischen uns nicht aufhört.“ Auf die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Russland am Wochenende hart kritisiert hatte, ging er nicht näher ein.

Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk rief Russland zu direkten Verhandlungen auf neutralem Gebiet auf. „Alles hängt vom russischen Präsidenten und seinem Umfeld ab“, sagte Jazenjuk der Agentur Interfax zufolge. Moskau wies das zurück: Die ukrainische Führung müsse nicht mit Russland sprechen, sondern mit den Aufständischen in der Ostukraine. Steinmeier forderte mit Nachdruck von Kiew, Moskau und den prorussischen Separatisten, die Vereinbarungen für eine Waffenruhe einzuhalten. Als Beispiel nannte er den gegenseitigen Austausch von Gefangenen, die Überwachung von Grenzen und eine Demilitarisierung. Ziel ist unter anderem, die Gespräche einer Kontaktgruppe unter dem Dach der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wiederzubeleben.

Heftige Reaktionen auf Platzecks Vorstoß

In der außenpolitischen Debatte in Deutschland mehren sich angesichts der verhärteten Fronten im Ukraine-Konflikt Stimmen, die für weitgehende Zugeständnisse an Moskau werben. Der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) stellte sich nun frontal gegen die Position der Bundesregierung und forderte, die Annexion der Krim zu legalisieren.

„Die Annexion der Krim muss nachträglich völkerrechtlich geregelt werden, so dass sie für alle hinnehmbar ist“, sagte der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums der „Passauer Neuen Presse“. Als mögliche Wege nannte er „finanzielle Leistungen, eine Wiederholung des Referendums unter Kontrolle der OSZE und Weiteres“. Dies müssten Kiew und Moskau aushandeln. Auch die von prorussischen Separatisten kontrollierten Regionen in der Ostukraine würden wohl nicht wieder von der ukrainischen Hauptstadt Kiew aus regiert werden. „Es ist momentan kaum vorstellbar, dass Donezk und Luhansk nach allem, was passiert ist, einfach wieder in den ukrainischen Staatsverband zurückkehren“, sagte der Ex-SPD-Chef. „Der Klügere gibt auch mal nach“, fügte er hinzu.

Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorf forderte die SPD auf, sich von Platzeck zu distanzieren. Dessen Forderung sei „ein Schlag ins Gesicht all der Menschen, die sich für die demokratische Entwicklung in der Ukraine einsetzen“. Zwar müsse der Dialog mit Putin fortgeführt werden, die militärische Aggression dürfe aber nicht anerkannt werden. Platzeck schade mit der Forderung Bemühungen um europäische Einigkeit und lege „die Axt an die Unverletzlichkeit der Grenzen“, die ein Grundprinzip der europäischen Friedensordnung sei.

Auch der Geschäftsträger der ukrainischen Botschaft in Berlin, Vasyl Khymynets, verurteilte die Äußerung. „Es macht uns Sorge, dass Herr Platzeck in Deutschland dafür wirbt, die Annexion der Krim anzuerkennen“, sagte Khymynets dem Tagesspiegel. „Er sollte lieber seinen Gesprächspartnern in Moskau deutlich machen, dass eine Verletzung des Völkerrechts nicht hingenommen werden kann.“ Die Annexion der Krim sei von der internationalen Gemeinschaft verurteilt worden, betonte der Geschäftsträger. „Alle, die versuchen, das Vorgehen Russlands in der Ukraine zu rechtfertigen, tragen aus unserer Sicht eine Mitschuld an diesem Vorgehen.“ (AFP/dpa/cvs/hmt)

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