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Politik: Frankenwein und leere Teller

Erst drohte kulinarischer Vollverzicht zu Thierses 60. Geburtstag. Dann aber half die CSU

Wolfgang Thierse machte doch noch einen glücklichen Eindruck an seinem 60. Geburtstagsabend. Doch das Besondere am Empfang zu Ehren des Bundestagspräsidenten waren weder kulinarische Genüsse oder festliches Ambiente, sondern die lieben Worte. „Wir finden Sie ansehnlich, so wie Sie sind“, lobte Bundespräsident Johannes Rau in Anspielung auf die Debatte um Thierses längliche Haartracht. „Ich freue mich, dass es Sie gibt“, sagte FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt. Sein Kollege Franz Müntefering gratulierte dem „Kämpfer für das Ansehen des Parlaments“, dem „Mundwerk Ostdeutschlands“ und einem, der ungern Krawatten trägt. Und Vizepräsident Norbert Lammert von der CDU überreichte ein kleines Krümelmonster, Thierses Lieblingsfigur.

Auf festliches Essen oder gar Schampus mussten Thierses Geburtstagsgäste am Mittwochabend im Paul-Löbe-Haus jedoch verzichten. Der Grund: Die „Bild“-Zeitung ist dem Intellektuellen an der Spitze des hohen Hauses wenig gewogen. Nachdem sich Journalisten des Blattes nach den Kosten der Feier erkundigt hatten (24 000 Euro), entschied Thierse zum Missfallen mancher Fraktionsvertreter: Für den Empfang wird kein Geld aus dem Bundestagsetat ausgegeben. Für das schon bestellte Buffet der Catering-Firma griff Thierse sogar in seine Privattasche. „Ich wollte mich an meinem 60. Geburtstag nicht vorführen lassen“, sagte Thierse beim Empfang. Und Johannes Rau nannte die Kampagne „beschämend“. „Bescheidenheit steht uns dieser Tage an. Aber Ärmlichkeit sollte der demokratische Staat nicht zu seinem Bilde machen“, sagte Rau. Nicht zum ersten Mal hat sich das Parlament einer Neidkampagne des Boulevardblattes gebeugt. Nachdem „Bild“ die Kosten für die deutsch-französische Feier zum 40. Jahrestag des Elysée-Vertrages attackiert hatte („Paris-Sause“), entschied der Bundestag, nur zu einem preiswerten Kurzabstecher ohne Übernachtung nach Paris zu reisen.

Dass die Gäste am Mittwochabend doch nicht ganz auf dem Trockenen standen, ist allein einer fränkischen Allianz zu verdanken. In letzter Minute organisierten CSU-Landesgruppenchef Michael Glos und Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) eine Wein-Spende fränkischer Winzer. Die hatten zuvor in Bayerns Landesvertretung den „Fränkischen Herbst“ gefeiert. Auf Bitten von Glos und Kastner erklärten die Winzer sich bereit, die Restbestände für Thierses Geburtstag zur Verfügung zu stellen.

Markus Feldenkirchen

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