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Politik: Frankreich: Chirac will Paris um jeden Preis halten

Die bürgerliche Rechte in Frankreich will die Rathäuser von Paris und Lyon um jeden Preis halten. Dies machte Staatspräsident Jacques Chirac kurz vor der entscheidenden zweiten Runde der Kommunalwahlen am heutigen Sonntag deutlich.

Die bürgerliche Rechte in Frankreich will die Rathäuser von Paris und Lyon um jeden Preis halten. Dies machte Staatspräsident Jacques Chirac kurz vor der entscheidenden zweiten Runde der Kommunalwahlen am heutigen Sonntag deutlich. "Wenn es eine Chance gibt, Paris zu halten, dann müssen wir sie nutzen", sagte Chirac. Dasselbe gelte für Lyon, wo der Präsident sogar zu einer Verständigung mit Ex-Verteidigungsminister Charles Millon aufrief. Millon war nach seinem Flirt mit der rechtsextremen "Front National" landesweit in Ungnade gefallen. Noch beim ersten Wahlgang vor einer Woche galt der undurchsichtige Populist als persona non grata.

Die Allianz zwischen Millon und dem gaullistischen Kandidaten Jean-Michel Dubernard in Lyon ist nicht die einzige taktische Wende im Chirac-Lager. Noch frappierender ist die Entwicklung in der Hauptstadt Paris. Dort kam es in buchstäblich letzter Minute zu einer Aussöhnung zwischen dem amtierenden Bürgermeister Jean Tiberi und dem offiziellen gaullistischen Kandidaten Philippe Séguin. Beide erklärten sich nach langem Zögern zu einem Treffen bereit, Tiberi lud Séguin sogar zu einer Wahlkundgebung am Freitagabend ein.

Noch vor wenigen Tagen wäre diese Annäherung undenkbar gewesen. Séguin war mit dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen, das von Tiberi geführte "System" gaullistischer Vetternwirtschaft in Paris zu brechen. Tiberi wiederum bezeichnete den von den Gaullisten nominierten Séguin als "masochistischen Apparatschik" und warf ihm vor, sein Wahlprogramm abgekupfert zu haben. Noch am Montag stellte Tiberi seinem Rivalen ein Ultimatum, um eine Fusion der bürgerlichen Listen zu erreichen. Erst ein Appell zur Einigung von Gaullistenchefin Michèle Alliot-Marie brachte die Streithähne zur Raison. Folgt man den Pariser Medien, so kam dieser Appell auf Druck von Präsident Chirac zustande, der Paris 18 Jahre lang als Bürgermeister führte und sich keine Niederlage in der gaullistischen Bastion leisten möchte. Nach der Annäherung von Séguin und Tiberi ist allerdings völlig unklar, wer von beiden bei einem eventuellen Wahlsieg Bürgermeister werden soll.

In einem Radiointerview hielt Tiberi seinen Anspruch auf das Rathaus aufrecht, obwohl er im ersten Wahlgang weniger Stimmen erzielt hatte als Séguin. Beobachter schließen nicht aus, dass sich Chirac am Ende für einen "dritten Mann" oder sogar für eine Frau als Bürgermeisterin entscheiden könnte. Als mögliche Kandidaten werden bereits Ex-Premier Edouard Balladur oder die ursprüngliche Chirac-Favoritin Françoise de Panafieu gehandelt.

Unterdessen übte der Kandidat der Lin-ken in Paris, der Sozialist Bertrand Delanoe, scharfe Kritik an den politischen Rivalen. Die bürgerliche Rechte habe "kein Programm, kein Budget und keinen Kandidaten mehr". "Monsieur Séguin, der mit dem System brechen wollte, ist zu seiner Geisel geworden", sagte Delanoe, der als Favorit in den zweiten Wahlgang geht.

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