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Auf die Unternehmen zugegangen. Frankreichs Präsident Macron – hier am Elysée-Palast in Paris – hat viel Kraft in die Arbeitsmarktreform investiert.

© Ludovic Marin/AFP

Frankreich: Die Arbeitsmarktreform wird zu Macrons Bewährungsprobe

Die geplante Arbeitsmarktreform ist in Frankreich hoch umstritten – doch die Front der Gegner dieses Prestigeprojekts von Präsident Macron bröckelt.

„Man kann Dinge nicht in 100 Tagen erledigen.“ Mit diesen Worten hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf die Arbeitsrechtsreform eingestimmt, die am Donnerstag offiziell vorgestellt wurde. In einem 20-seitigen Interview im Nachrichtenmagazin „Le Point“ forderte er die Franzosen dazu auf, geduldig zu sein. Seine Beliebtheitswerte sind im Keller, nur noch 40 Prozent der Franzosen haben eine positive Meinung von ihm. Macron steht vor seiner entscheidenden Bewährungsprobe.

So verteidigte er sich schon mal vorab: „Die Arbeitsmarktreform ist eine tief greifende Reform und sie soll, wie ich es versprochen habe, ehrgeizig und effizient genug sein, um die Arbeitslosigkeit zu senken.“ Es ist sein wichtigstes wirtschaftspolitisches Projekt, mit dem er hofft, die hohe Arbeitslosigkeit von fast zehn Prozent in Frankreich endlich in den Griff zu bekommen. Das Parlament hatte der Regierung eine Vollmacht erteilt, die geplanten Änderungen per Verordnungen auf den Weg zu bringen. Damit liegt es in der Hand der Regierung, strittige Detailfragen zu entscheiden. Die Texte sollen am 22. September vom Kabinett verabschiedet werden und schnell in Kraft treten.

Macron weiß, dass er sich keinen Fehler erlauben darf, eine zweite Chance bekommt er nicht. Mit der Reform will er den Unternehmen mehr Freiheiten einräumen, damit diese Jobs schaffen. Nicht nur in Frankreich ist die Erwartung groß, auch im Ausland. Außenminister Sigmar Gabriel würdigte die Arbeitsmarktreform. Sie werde Frankreich helfen, „wieder stärker zu werden in seinen wirtschaftlichen und sozialen Erfolgen“, sagte er nach einem Treffen mit Macron in Paris.

Doch die linke Gewerkschaft CGT, die immer den Kommunisten nahestand, kritisiert die Reform, die Arbeitnehmerrechte beschneide. Die CGT will deshalb am 12. September landesweit gegen dieses „XXL Arbeitsrecht“ demonstrieren. Das birgt ein Risiko für Macron, der kürzlich auf einer Osteuropareise betonte, Frankreich sei nur schwer reformierbar: „Die Franzosen hassen Reformen – wann immer sie Reformen vermeiden können, machen sie es.“ Doch nun muss er das Gegenteil beweisen und zeigen, dass er schafft, woran seine Vorgänger gescheitert sind.

Schon Hollandes Reform war am Protest gescheitert

Die CGT hatte vor anderthalb Jahren schon Teile der Reform von Macrons Vorgänger François Hollande durch massive Demonstrationen zum Scheitern gebracht. Auch der linke Politiker Jean-Luc Mélenchon macht gegen die jetzige Reform mobil, er ruft das Volk auf, gegen den „sozialen Staatsstreich“ zu protestieren. Deshalb waren alle Blicke auf Premierminister Edouard Philippe gerichtet, der die Verordnungen, die im Schnellverfahren das Arbeitsrecht reformieren sollen, zusammen mit Arbeitsministerin Muriel Pénicaud in seinem Amtssitz Matignon präsentierte – erst den Gewerkschaften, dann der Öffentlichkeit. Rund 200 Seiten Text umfassen sie. Philippe betonte, die Reform sei „ehrgeizig, gerecht und ausgeglichen“. Nach der Vorstellung erklärte Philippe Martinez, Chef der CGT, allerdings: „Alle unsere Befürchtungen sind eingetreten.“

Die Reform will den Unternehmen mehr Flexibilität einräumen, dabei geht es um Arbeitszeiten, Abläufe und Arbeitsverträge. Der strittige Punkt dabei: Was bisher gesetzlich durch Branchen vorgeschrieben war, soll zukünftig verstärkt durch Vereinbarungen in den Betrieben geregelt werden können. Kündigungen sollen erleichtert werden. Und auch dabei gibt es einen besonderen Streitpunkt: Die Abfindungen sollen berechenbar und damit für die Unternehmen überschaubarer werden. Ein Punkt, der auch schon bei der Arbeitsrechtsreform von Hollande geplant war und nach Protesten zurückgezogen wurde. Scheitert das Projekt, wäre es eine Katastrophe für Macron – er hätte innenpolitisch und auch außenpolitisch nicht mehr viel zu sagen.

Macron hat massiv bei den Arbeitgebern für die Reform geworben

Doch es gibt nicht nur Risiken für die Reform, auch Chancen. Denn Macron hat im Vorfeld monatelang mit den Gewerkschaften und Arbeitgebern diskutiert und ist ihnen in einigen Punkten entgegengekommen, in anderen nicht. So hat er das Zugeständnis gemacht, dass Branchenbeschlüsse neben den Betriebsentscheidungen weiterhin wichtig bleiben. Es kam zur Einigung bei der Deckelung der Abfindung. Sie soll maximal 20 Monatsgehälter bei 30 Jahren Betriebszugehörigkeit betragen. Deshalb schert nur noch die CGT aus und will protestieren. Die gemäßigt linke Gewerkschaft FO (Force Ouvrière) will sich nicht anschließen. Die Front gegen Reformen bröckelt.

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