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Frankreich: "Die Fahne der Linken liegt am Boden"

Während Nicolas Sarkozy nach seinem Wahlsieg erst einmal untertaucht, hat bei der Linken bereits die Suche nach einem Schuldigen begonnen. Von all dem unbeeindruckt kündigte Ségolène Royal an, "weitermachen" zu wollen.

Paris - Der Wahlsieger tauchte erst einmal ab. Frankreichs frisch gekürter Präsident Nicolas Sarkozy werde sich "einige Tage zurückziehen, um an die Zukunft zu denken", sagte sein Wahlkampfchef Claude Guéant. Ob Sarkozy sich zur Vorbereitung auf die Übernahme des Präsidentenamtes am 16. Mai in ein Ferienhaus auf Korsika begibt oder wie angekündigt doch in ein Kloster, blieb offen. So überließ Sarkozy vor allem den Sozialisten das Feld, die nach dem Scheitern ihrer Kandidatin Ségolène Royal wenige Wochen vor den Parlamentswahlen vor einer Zerreißprobe stehen.

Über 30.000 Menschen feierten in der Wahlnacht den Sieg Sarkozys auf dem Pariser Place de la Concorde. "Sarko, wir lieben Dich", riefen sie dem lange als Hardliner verschrienen Ex-Innenminister zu. Der wandte sich als erstes an die, die ihn nicht gewählt haben: "Ich will, dass sie wissen, dass ich der Präsident der Republik aller Franzosen sein werde - ohne Ausnahme."

Mehr Stimmen als Chirac 1995

Sarkozy kann sich Großzügigkeit leisten: "Unbestreitbar", "beispielos" oder "meisterhaft" sei sein Sieg, schrieb die französische Presse. Fast 19 Millionen Franzosen oder 53,06 Prozent der Wahlteilnehmer gaben dem 52-Jährigen ihre Stimme. Das waren mehr, als Amtsinhaber Jacques Chirac bei seiner ersten Wahl 1995 bekam.

Als Präsident muss Sarkozy beweisen, dass er das schwerfällige Frankreich durch ehrgeizige Wirtschafts- und Sozialreformen tatsächlich auf Vordermann bringen kann - ohne das Land wieder einmal in ein Protestchaos zu stürzen. Sarkozy dürfe nicht die "Grundwerte" des französischen Modells über den Haufen werfen, warnte bereits besorgt die linksliberale Zeitung "Le Monde". Bevor er wirklich zur Tat schreiten kann, muss Sarkozy die Parlamentswahl im Juni hinter sich bringen. Erste Umfragen zeigen, dass er dort eine komfortable Mehrheit bekommen dürfte.

Bayrou will neue Partei gründen

Der Liberale François Bayrou, der in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen auf den dritten Platz kam, wirbt schon offen damit, einen "Gegenpol" zum allmächtigen Präsidenten Sarkozy zu schaffen. Dazu will der Liberale eine neue Partei gründen. Ihm bleibt auch kaum anderes übrig: Durch massenweise Überläufer zu Sarkozy ist seine bisherige UDF-Partei in den vergangenen beiden Wochen praktisch zerfallen.

Die Größen der Sozialistischen Partei (PS) schwanken zwischen Selbstzerfleischung und der Suche nach einem Sündenbock. "Die Fahne der Linken liegt am Boden", stellte Ex-Premier Laurent Fabius nach dem dritten Scheitern eines PS-Kandidaten bei einer Präsidentschaftswahl seit der Wiederwahl von François Mitterrand 1988 fest. Der frühere Wirtschafts- und Finanzminister Dominique Strauss-Kahn sprach von einer "schweren Niederlage" und kritisierte fehlende Genauigkeit im Wahlprogramm Royals. Als Angriff auf die Kandidatin wolle er das nicht verstanden wissen, fügte er an. Royal habe viel für eine Erneuerung getan, neue Ideen eingebracht und mit Tabus gebrochen.

Royal macht weiter

In der Rolle des Schuldigen könnte sich Royals Lebenspartner François Hollande wiederfinden, der seit 1997 PS-Chef ist. Seit der verheerenden Niederlage von Lionel Jospin bei der Präsidentschaftswahl 2002 sei nichts passiert, schimpfte Strauss-Kahn. Die Franzosen wollten nicht mehr, "dass man ihnen 20 Jahre alte Lösungen vorsetzt". Hollande konterte mit Blick auf die Parlamentswahlen schwach, es sei keine Zeit für "Abrechnungen oder Rückschauen".

Royal, der 2,2 Millionen Stimmen zum Sieg fehlten, kündigte noch am Sonntag an, sie werde weitermachen. "Etwas ist erstanden, das nicht aufzuhalten ist", sagte sie. Rückendeckung bekam die 53-Jährige von Ex-Mitterrand-Berater Jacques Attali: Royal werde "eines Tages Präsidentin der Republik sein", prophezeite er. Letztlich sei die Stichwahl ein Aufeinandertreffen gewesen "zwischen einem, der bereit war, und einer, die es noch nicht war". (Von Martin Trauth, AFP)

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