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Frankreich: Gentests für Einwanderer

Trotz zahlreicher Proteste selbst aus dem Regierungslager hält das französische Parlament an der Einführung von Gentests für Einwanderer fest. Paris will damit. die Familienzusammenführung erschweren.

Nach der Nationalversammlung stimmte in der Nacht zum Donnerstag auch der Senat einer Gesetzesvorschrift zu, nach der beim Nachzug von Familienangehörigen Zweifel an der Blutsverwandtschaft durch einen Gentest ausgeräumt werden können. Die von den Senatoren in mehreren Punkten abgeschwächte Vorschrift ist Teil eines neuen Gesetzes, mit dem die Regierung des konservativen Premierministers François Fillon die Regeln bei der Familienzusammenführung erschweren will. Die Regelung war auf Antrag eines Abgeordneten der Regierungspartei UMP in das Gesetz aufgenommen und von Einwanderungsminister Brice Hortefeux akzeptiert worden. Damit sollen betrügerische Anträge zur Nachholung von Familienangehörigen, die auf gefälschten Papieren beruhen, bekämpft werden.

Die Billigung des umstrittenen Artikels durch die Nationalversammlung hatte zu einem Sturm der Entrüstung geführt. Die linke Opposition nannte das Vorhaben „unwürdig“. Mehrere Menschenrechtsgruppen, die katholischen Bischöfe Frankreichs, namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie die früheren konservativen Premierminister Edouard Balladur, Jean-Pierre Raffarin und Dominique de Villepin wandten sich dagegen, die Familienzugehörigkeit durch Gentests nachweisen zu lassen. Dies sei ein Verstoß gegen die Würde des Menschen, der an dunkle Kapitel in der Geschichte erinnere. Kritiker sehen in der Gesetzesänderung einen Widerspruch zum Gesetz zur Bioethik, das DNA-Analysen nur zu medizinischen und zu Forschungszwecken zulässt. Mehrere afrikanische Politiker hatten kritisiert, die Familie werde auf die Blutsverwandtschaft reduziert.

Im Senat, dessen von der UMP dominierter Rechtsausschuss die umstrittene Vorschrift zunächst ersatzlos strich, verteidigte Minister Hortefeux das Vorhaben mit dem Hinweis, dass derartige Tests bereits in zwölf anderen europäischen Ländern, darunter auch in Deutschland, praktiziert würden. Diese seien alle „keine Diktaturen“.

In Deutschland gibt es allerdings keine generelle Regelung, die Gentests beim Familiennachzug ermöglichen würde. In Einzelfällen sind bei Irakern, die Verwandte nach Deutschland nachholen wollten, vorübergehend Speichelproben entnommen worden. Dazu kam es, weil im Irak nach dem Krieg kein Registratursystem und keine Dokumente mehr vorhanden waren.

In einer langen Nachtsitzung einigte sich Hortefeux mit der Mehrheit der Senatoren auf einen Text, nach dem Gentests probeweise während 18 Monaten eingeführt werden sollen. Sie müssen von einem Richter genehmigt werden und dürfen nur dazu dienen, ein Verwandtschaftsverhältnis in mütterlicher Linie nachzuweisen. Damit solle verhindert werden, dass Männer durch Gentests zufällig entdeckten, nicht der leibliche Vater ihres Kindes zu sein, erklärte Hortefeux. Die Kosten werden auch dann vom französischen Staat getragen, wenn der Test negativ ausfällt. Ein Vermittlungsausschuss aus Abgeordneten und Senatoren muss jetzt eine endgültige Version ausarbeiten, die noch der Nationalen Ethikkommission vorgelegt werden muss, bevor das Gesetz in Kraft treten kann. Trotz der Abmilderungen erklärte Ex-Premier Balladur, er sei schockiert über diese moralisch unhaltbare Vorschrift. Der Parteichef der oppositionellen Sozialisten, François Hollande, kündigte eine Beschwerde beim Verfassungsrat an.

Die Abstimmung über die übrigen Teile des Gesetzes zur Erschwerung der Familienzusammenführung im Senat stand am Donnerstag noch aus. Unter anderem sieht es die Prüfung von Sprachkenntnissen von nachzuholenden Familienangehörigen schon im Herkunftsland vor. Sind diese unzureichend, müssen die Interessenten von französischen Konsulaten organisierte Sprachkurse besuchen. Voraussetzung für die Zusammenführung ist ferner der Nachweis eines ausreichenden Einkommens. Experten hielten die Regelung angesichts des komplizierten Verfahrens und der Freiwilligkeit in der Praxis allerdings kaum mehr für anwendbar.

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