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Frankreich: Komplett-Betreuung von der Wiege aufwärts

Mit einem "Plan für Kleinkinder" will Frankreichs konservative Regierung innerhalb der nächsten fünf Jahre eine Betreuungslösung für alle Kinder unter drei Jahren anbieten können.

Paris - Gut ist nicht gut genug. Das scheint die Devise der französischen Familienpolitik, wo wegen der starken Geburtenrate die Betreuung der Kleinsten weiterhin Kopfzerbrechen bereitet. Während jedem Kind ab drei Jahren ein Platz in einem staatlichen Kindergarten garantiert wird, müssen berufstätige Eltern während der ersten Lebensjahre ihres Nachwuchses häufig nach Notlösungen suchen.

Obwohl Demografen sich standhaft weigern, eine klare Verbindung zwischen Familienpolitik und Geburtenrate zu ziehen, sprechen die Zahlen bei unserem westlichen Nachbarn eine deutliche Sprache. 80 Prozent der Frauen zwischen 30 und 54 Jahren sind berufstätig, gleichzeitig hat das Land mit rund 1,91 Kindern pro Frau im gebärfähigen Alter nach Irland (1,93) die höchste Geburtenrate der EU. Der sichere Kindergartenplatz mit drei Jahren ist vielleicht ein Faktor - obwohl die Franzosen einer OECD-Studie zufolge trotz dieser praktisch kostenlosen staatlichen Betreuung im Verhältnis zu anderen Ländern viel Geld für die Versorgung ihrer Kleinen ausgeben.

Das liegt möglicherweise an dem Problem, das Familienminister Philippe Bas jetzt angehen möchte: Nur wenige berufstätige Französinnen oder Franzosen bleiben nach einer Geburt lange bei ihrem Kind. Den Statistiken der Regierung zufolge werden 28 Prozent der 2,4 Millionen Unter-Dreijährigen von einem Elternteil mit Erziehungsurlaub betreut, acht Prozent sind zu Hause bei ihrer nicht berufstätigen Mutter. Für die anderen müssen die Eltern sich organisieren, um einen der 240.000 landesweiten Krippenplätze zu ergattern, für die schon das Ungeborene angemeldet werden muss. Von der Gemeinde mitfinanzierte, qualifizierte Kinderfrauen und Horte besorgen den Rest.

Kinderbetreuung: Schwarzarbeit mangels Alternative

Zehn Prozent der Eltern jedoch finden dem Minister zufolge keine zufriedenstellende Lösung. Dem Dachverband der Familienvereine (Unaf) zufolge sind es sogar 20 Prozent der Familien, die mangels staatlicher Hilfe auf Schwarzarbeit bei der Betreuung zurückgreifen oder sich mit mühselig verschobenen Arbeitszeiten, ungewollten Teilzeitjobs und den Großeltern behelfen. Diesen Familien soll nun geholfen werden. Neben dem Aufstocken der Krippenplätze will der Minister auch unkonventionelle Betreuungsmöglichkeiten fördern, so zum Beispiel "Mini-Krippen" auf dem Lande, für die zwei bis drei Kinderfrauen sich zusammenschließen und von den Gemeinden mitfinanziert werden. Steuererleichterungen sollen kleine und mittlere Unternehmen ermutigen, Betriebskindergärten einzurichten.

Die in Deutschland so heiß debattierte Frage, ob die Kleinen im zarten Alter nicht der Gegenwart von Mutter oder Vater dringend bedürfen, ist in Frankreich kein Thema. Jedenfalls fast nicht. Denn gleichzeitig mit den Maßnahmen für umfassende Betreuung von der Wiege an will die Regierung auch ermöglichen, dass Mütter oder Väter mehr Zeit mit ihrem Baby verbringen können. Seit einigen Jahren wurde das Betreuungsgeld für einen Teil des Erziehungsurlaubs aufgestockt - und der Minister will den Mutterschutz flexibler gestalten. Schwangere sollen demnach die Möglichkeit erhalten, erst drei Wochen, statt der bisher obligatorischen sechs, vor der Geburt in Mutterschutz zu gehen. Die gesparte Zeit könnten sie dann hinterher mit ihrem Neugeborenen verbringen. (tso/AFP)

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