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Die erneuten Gewalttaten erinnern an 2005, als es in den Banlieues wochenlang Ausschreitungen gab.

© AFP

Frankreich: Polizeigewalt gegen Farbigen löst Krawalle aus

Wie hochexplosiv die Lage in den Banlieues ist, zeigt sich gerade wieder: Seitdem bekannt wurde, dass Polizisten einen Farbigen misshandelt haben, gibt es Krawalle.

Fast schien es, als ob die Krawalle in Frankreichs Vorstädten der Vergangenheit angehörten. Doch nun zeigt sich, dass ein einziger Funke gleich wieder einen Großbrand in den sensiblen französischen Banlieues auslösen kann. Es kam zu mehreren Krawallnächten in Folgen, bei denen sich Jugendliche Straßenschlachten mit der Polizei lieferten. Grund für die Ausschreitungen war die Polizeigewalt gegenüber einem Farbigen.

Vier Polizisten sollen den 22jährigen Franzosen bei einer Polizeikontrolle misshandelt haben, dabei soll er angeblich sogar vergewaltigt worden sein. Die Angelegenheit ist schon zur Staatsaffäre geworden. Bis ganz oben schlagen die Wellen dieser Gewalttat. Präsident François Hollande hat Theo L. bereits am Krankenbett besucht. Zahlreiche Prominente zeigten sich solidarisch mit Theo, darunter auch der farbige Schauspieler Omar Sy, bekannt durch die Komödie "Ziemlich beste Freunde". Der Schock über die Gewalt ist groß. Der konservative Bürgermeister von Aulnay-sous-Bois, Bruno Beschizza, früher Polizeibeamter, erklärte, seine Ex-Kollegen hätten die ganze Gemeinde  "erniedrigt".

Der junge Mann soll am vergangenen Donnerstag in Aulnay-sous-Bois bei Paris von einem der Polizisten mit einem Schlagstock vergewaltigt worden sein. Die Szene wurde von Augenzeugen gefilmt und ins Internet gestellt. Theo, der im Krankenhaus liegt, erzählte im französischen Fernsehen, dass er von den Polizisten auch mit Schlägen auf die Geschlechtsteile misshandelt wurde, dazu machten sie rassistische Aussprüche über seine Hautfarbe. Premierminister Bernard Cazeneuve ließ die Polizisten sofort vom Dienst suspendieren, gegen einen wird wegen Vergewaltigung ermittelt. Die Polizisten verteidigen sich, es sei ein Unfall gewesen, der Schlagstock sei ausgerutscht. Auch die nationale Polizeiinspektion IGPN geht bisher eher von einem Unfall aus : Es soll zu einem Handgemenge gekommen sein, weil Theo sich keine Handschellen anlegen ließ.

Doch ganz Frankreich ist empört über die Polizeigewalt und infolge des Angriffs kam es gleich in mehreren Vororten von Paris zu Krawallen. Über Twitter fordern viele eine Bestrafung der Polizisten. Mit Plakaten, auf denen stand "Gerechtigkeit für Theo" gingen viele Menschen als Protest gegen die Polizeigewalt auf die Straße. Die Proteste begannen friedlich in Aulnay-sous-Bois mit einigen Hundert Menschen. Doch dann wurden sie schnell gewalttätig und erreichten auch die anderen Vorstädte. Polizisten wurden mit Steinen beworfen, Bushaltestellen in Brand gesetzt, auch ein Kindergarten ging schon in Flammen auf. Fünf Randalierer wurden im Schnellverfahren zu sechs Monaten Haft verurteilt.

Die Banlieues gelten als soziale Problemzonen

Die erneuten Gewalttaten erinnern an das Jahr 2005, als die Banlieues in ganz Frankreich wochenlang von einer Gewaltwelle erfasst wurden, 300 Häuser brannten, 10.000 Autos wurden zerstört und die Regierung verhängte den Ausnahmezustand. Damals starben zwei Jugendliche auf der Flucht vor der Polizei an einem Stromschlag in einem Transformatorhäuschen. Das Land war kaum wieder in Griff zu bekommen. Theo forderte deshalb vor TV-Kameras die Randalierer dazu auf, ihre Gewalttaten zu unterlassen: "Jungs, stoppt den Krieg. Halten wir zusammen. Ich habe Vertrauen in die Justiz." Hollande lobte ihn für diesen Auftritt.

Die Vorfälle machen mal wieder deutlich, dass Frankreich das Problem seiner benachteiligten Vorstädte mit einem hohen Migrantenanteil nie in Griff bekommen hat. Die Banlieues gelten als soziale Problemzonen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, vor allem unter den Jugendlichen, die Hoffnungslosigkeit groß. In Folge kommt es immer wieder zu Gewalt. Die Polizei vor Ort ist hilflos. Die Polizisten in Aulnay-sous-Bois gehörten zu einer Einheit, die vor allem gegen Drogenbanden ankämpft. Doch laut Theos Anwalt soll dieser, bevor er kontrolliert wurde, bei der Polizei nicht bekannt gewesen sein. Und Polizisten in Frankreich wurde wiederholt vorgeworfen, dass sie in den Vorstädten zu hart vorgehen, vor allem gehen Jugendliche aus Einwandererfamilien.

Präsident François Hollande besuchte Theo L. bereits am Krankenbett.
Präsident François Hollande besuchte Theo L. bereits am Krankenbett.

© AFP

Bei den Präsidentschaftswahlen im April dürften die Ausschreitungen eine Rolle spielen. Der sozialistische Präsidentschaftskandidat Benoît Hamon sprach von einem "nicht akzeptablen" Verhalten der Polizei. Der ehemalige Wirtschaftsminister Emmanuel Macron und einer der Favoriten der Wahl betonte, er sei "schockiert", aber die Ermittlungen müssten erst ergeben, was genau geschehen sei.

Der rechtsextreme Front National mit seinem Kurs gegen Einwanderung könnte besonders von den Krawallen profitieren. FN-Chefin Marine Le Pen, die für Null-Toleranz bei Kriminalität eintritt, sagte: "Ich unterstütze aus Prinzip die Polizei, bis ihr die Justiz ein Delikt nachgewiesen hat." Mit ihrem Ausspruch steht sie im klaren Widerspruch zu den meisten anderen Politikern, die ihren Schock über die Gewalttat klar zum Ausdruck brachten. Wie wahlkampfträchtig die Zwischenfälle sind, zeigte auch Hollandes Besuch am Krankenbett des Opfers.

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