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Frankreich: Sarkozys Reform löst Aufruhr in Justiz aus

Frankreichs Präsident Sarkozy will das Strafprozessrecht verändern. Die unabhängigen Untersuchungsrichter sollen abgeschafft werden. Dagegen protestierten Richter, Anwälte und Justizangestellte und legten am Dienstag die Justiz im Lande lahm.

Paris - Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat sie alle gegen sich aufgebracht. Richter, Anwälte, Justizangestellte und Beamte des Strafvollzugs legten am Dienstag Frankreichs Justiz lahm und zogen in einem Protestmarsch vom Pariser Justizpalast auf der Ile da la Cité zum Justizministerium an der Place Vendôme. Anlass dieses „Tags ohne Justiz“, zu dem 20 Berufsverbände aufgerufen hatten, ist eine geplante Reform des Strafprozessrechts. Deren Kern ist die Abschaffung der an keine Weisungen gebundenen Untersuchungsrichter. Die Aufgaben der Untersuchungsrichter sollen in Zukunft von den Staatsanwaltschaften wahrgenommen werden, die jedoch vom Justizministerium abhängig sind. Gegner des Projekts sehen darin einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz.

Hinzu kommt der wachsende Unmut über die Überlastung der Justiz. Sie verschlimmerte sich, seitdem die Regierung in Paris im vergangenen Jahr zahlreiche kleinere Gerichte in der Provinz schließen ließ. Nun soll es weitere Einsparungen an Personal und materiellen Mitteln geben. „Wir sind mit unseren Kräften am Ende“, beschrieb die Richterin Géraldine Rigollot von der Gewerkschaft „Syndicat de la Magistrature“ die Lage. Die Mitarbeiter der Justiz seien zu Überstunden gezwungen, ohne jemals dafür einen Ausgleich zu erhalten, sagte sie. Während Frankreich pro Einwohner 53 Euro für die Justiz ausgebe, seien es in Großbritannien 99 und in Deutschland 106.

Mehr als diese Engpässe trieb jedoch die bevorstehende Reform des Strafprozessrechts die Angehörigen der Justiz auf die Straße. Sarkozys Forderung, die 200 Jahre alte Institution des unabhängigen Untersuchungsrichters, nach einem Wort Napoleons des „mächtigsten Mannes Frankreichs“, abzuschaffen, war zunächst auf Zustimmung gestoßen. Die Erwartung jedoch, dass im Gegenzug die Staatsanwälte nicht von Weisungen des Justizministeriums abhängig sein würden, sollte sich nicht erfüllen, wie Justizministerin Michelle Alliot-Marie jetzt noch bestätigte. Kritiker des Vorhabens, auch in der linken Opposition, befürchten, die Regierung verfolge die „Absicht, peinliche Affären wie etwa die Korruption beim Erdölkonzern Elf zu ersticken“. Solche Befürchtungen werden noch dadurch genährt, dass die Reform auch eine Verkürzung der Verjährungsfrist bei Wirtschaftsstraftaten bringt. Hans-Hagen Bremer

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