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Frankreich: Sarkozys Reform-Stakkato in der Sommerpause

Sarkozy will Frankreich im Eiltempo auf Vordermann bringen. Geplant sind drastische Reformen in allen Bereichen.

Paris - Wenn Frankreichs neuer Präsident Nicolas Sarkozy bei den Parlamentswahlen im Juni auch eine Mehrheit in der Nationalversammlung erhält, will er ein regelrechtes Reform-Stakkato in Gang setzen - wohl in der Hoffnung, dass es Frankreichs streikbereiten Gewerkschaften und der Opposition in der Sommerpause schwerfällt, ihre Anhänger zu mobilisieren:

Arbeit: Frankreich soll bis 2012 die Vollbeschäftigung schaffen. Dazu will Sarkozy die von den Sozialisten eingeführte 35-Stunden-Woche aufweichen, indem Überstunden steuerfrei werden. Jeder solle die Möglichkeit bekommen, "mehr zu arbeiten, um mehr zu verdienen", lautet Sarkozys Motto. Kündigungsfristen will er verkürzen, gleichzeitig aber Entschädigungen für entlassene Arbeitnehmer erhöhen. In den sozial schwachen Vorstädten soll 250.000 Jugendlichen eine Ausbildung in Unternehmen angeboten werden.

Öffentlicher Dienst: Das Heer von fünf Millionen Beamten soll deutlich schrumpfen. Sarkozy will bis 2012 nur noch jede zweite frei werdende Stelle neu besetzen und dadurch Milliarden sparen. Bis September gibt Sarkozy den Gewerkschaften bei Bahn, Post und Telekom Zeit, sich mit dem Staat auf Mindestdienstleistungen zu einigen, die auch während Arbeitskämpfen erbracht werden müssen. Gelingt das nicht, will Sarkozy sie per Gesetz verordnen. 2008 will Sarkozy dann die großzügigen Rentenregelungen im Öffentlichen Dienst auf den Prüfstand stellen.

Regierung: Das Kabinett soll schlanker werden: Statt bisher 29 Ministern soll es nur noch 15 geben. Jeder Minister soll einmal pro Jahr "bewertet" und bei Versagen entlassen werden. Der Ernennungen hoher Staatsbediensteter soll das Parlament zustimmen.

Steuern: Einkommensteuer und Sozialabgaben sollen bei zusammen maximal 50 Prozent gedeckelt werden. Die Erbschafts- und Schenkungssteuern werden für 90 bis 95 Prozent der Franzosen abgeschafft.

Vorstandsgehälter: Nach der Empörung über die Millionenabfindung für den ehemaligen EADS-Ko-Chef Noël Forgeard will Sarkozy so genannte Goldene Fallschirme für Top-Manager gesetzlich verbieten.

Einwanderung: Der Familiennachzug wird weiter erschwert. Er soll nur noch möglich sein, wenn ein Ausländer Wohnung und Arbeit nachweisen kann und nicht von staatlicher Unterstützung lebt. Einwanderer müssen zudem schon vor der Ankunft Französisch beherrschen. Überwachen soll das ein "Ministerium für Einwanderung und nationale Identität".

Kriminalität: Für Wiederholungstäter soll es Mindeststrafen geben. Ab einem Alter von 16 Jahren soll für diese Gruppe kein Jugendstrafrecht mehr gelten. Sexualstraftäter müssen einer medizinischen Betreuung zustimmen, um aus dem Gefängnis zu kommen, und sich regelmäßig bei der Polizei melden.

Umwelt: An der Atomkraft, die für drei Viertel der französischen Stromversorgung steht, will Sarkozy festhalten. Der Anteil erneuerbarer Energien soll aber erhöht werden. Über ihre Förderung will er im September mit Umweltorganisationen und Energiekonzernen beraten. In einem Ministerium, das vom Vize-Regierungschef geleitet wird, sollen die Bereiche Nachhaltige Entwicklung, Wasser, Energie und Verkehr gebündelt werden.

Europa: Sarkozy reist direkt nach seinem Amtsantritt am Mittwoch nach Berlin und will kurz darauf auch nach Brüssel. Zwei Jahre nach dem "Nein" der Franzosen zur EU-Verfassung will er im Sommer einen "Mini-Vertrag" durch das Parlament bringen, der unter anderem durch die Einführung von Mehrheitsentscheidungen wenigstens ein besseres Funktionieren der EU-Institutionen ermöglicht. Einen EU-Beitritt der Türkei lehnt er ab. (Von Martin Trauth, AFP)

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