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Sarkozy

© dpa

Frankreich: Wer ist Nicolas Sarkozy?

Deutschland mag er nicht. Die Briten schon. Mit den Staatschefs der Welt ist er per Du. Vor dem EU-Gipfel gibt er sich als Krisenmanager. Doch die Franzosen sehen ihren Präsidenten kritisch.

IST SARKOZY EUROPAS NUMMER EINS?

Formell ist er das. Wenigstens noch bis Ende des Jahres. Dann endet Frankreichs EU-Ratspräsidentschaft. Tschechien übernimmt im Anschluss. Doch unter Sarkozys Führung hat sich Frankreich auch politisch als aktives Mitglied der Europäischen Union zurückgemeldet. Nach dem Nein der Franzosen zum EU- Verfassungsvertrag 2005 war Frankreichs Position geschwächt. Das wollte der französische Staatspräsident ändern. Schon nach seiner Wahl hatte er sich sofort für den Vertrag von Lissabon eingesetzt, der aber vorerst an Irland gescheitert ist. Für den französischen EU-Vorsitz formulierte er eine Reihe ehrgeiziger Ziele wie die Mittelmeerunion, um Frankreichs neuen Führungsanspruch zu unterstreichen. Außerdem wollte er eine gemeinsame Einwanderungs-, Verteidigungs-, Energie- und Umweltpolitik für Europa entwickeln. Übrig blieb am Ende nur das Ziel, wenigstens die Grundlagen für gemeinsames Handeln zu schaffen. Ob davon auf dem EU- Gipfel der 27 Staats- und Regierungschefs in der kommenden Woche in Brüssel noch etwas umgesetzt wird, ist fraglich. Die Finanzkrise hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zusammen mit dem Krieg im Kaukasus stellte sie Sarkozy vor neue Herausforderungen. Plötzlich sah er sich nicht mehr nur als Ratsvorsitzender eines schwerfälligen Klubs von 27 Staaten, sondern als internationaler Krisenmanager. Erst handelte er in Moskau und Tiflis einen Waffenstillstand aus, dann rang er den USA einen Weltgipfel zur Neuordnung des Kapitalismus ab.

WIE ARBEITET SARKOZY?

Krisen sind für Sarkozy wie ein Aufputschmittel. Wo es brennt, ist er sofort zur Stelle. Stets prescht er mit neuen Vorschlägen vor, überzeugt davon, dass unter seiner Führung die Idee eines starken Europa Wirklichkeit wird. Vor Größenwahn schreckt er nicht zurück. „Wir haben die Welt gerettet“, brüstete er sich. Und er hält sich für unersetzlich. So forderte er den Vorsitz in der Euro-Gruppe für sich, um wenigstens diesem Gremium der zur Euro-Zone zählenden Länder vorzustehen, wenn er den EU-Ratsvorsitz abgeben muss. Tschechiens Premierminister Mirek Topolonek, den er zum Verzicht auf den Vorsitz in der Mittelmeerunion überreden wollte, fragte er: „Wie viele arabische Führer kennst du? Weißt du, mit ihnen umzugehen?“ Sarkozy ist von sich überzeugt – was es erschwert, auf Gipfeltreffen zum Konsens zu finden.

Sarkozy pflegt mit den anderen Staats- und Regierungschefs einen kumpelhaften Umgang. Die Zeiten, in denen sich Präsident de Gaulle und Bundeskanzler Adenauer respektvoll mit ihren Titeln ansprachen, liegen weit zurück. Auch die angelsächsische Art, sich mit Vornamen anzureden, aber höflich beim Sie zu bleiben, wie es Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt taten, ist vorbei. Sarkozy duzt jeden. Ob George W. Bush, Dimitri Medwedew, Gordon Brown oder Silvio Berlusconi, bei allen tritt er hemdsärmelig auf. „Du willst doch deine Amtszeit nicht mit einer solchen Krise beenden?“, hielt er Bush vor, um ihn zum Washingtoner Finanzgipfel zu überreden.

WIE IST SEIN VERHÄLTNIS ZU ANGELA MERKEL?

Auch Angela Merkel hat er sofort geduzt. Und sie ihn dann natürlich auch. Doch sein Verhältnis zur Kanzlerin scheint trotz vieler Wangenküsse distanzierter. Nach außen geben sich beide herzlich. Stets demonstrieren sie Einvernehmen, um Differenzen wortreich zu verdecken. Nicht der Schatten einer Meinungsverschiedenheit liege über ihrem Treffen, versicherte Sarkozy bei den letzten deutsch-französischen Regierungsgesprächen. Tatsächlich ist die Liste der gegenseitigen Klagen lang. Ärgert man sich in Berlin immer wieder über die Vorstöße, die Sarkozy ohne Absprache unternimmt, um neue Ideen wie die Mittelmeerunion, den Rettungsfonds für europäische Banken, den Staatsfonds zum Schutz von Unternehmen oder eine „europäische Wirtschaftsregierung“ zu lancieren, fragt man sich in Paris oft, was die Kanzlerin eigentlich will. Ihr Zaudern in der Finanzkrise passt Sarkozy nicht.

Es sind nicht nur politische Interessen, die Sarkozy und Merkel trennen. Sie sind sich auch persönlich eher fremd. Sarkozys Rede auf Merkel bei der Karlspreisverleihung ging plump daneben. Er sehe Frau Merkel ja öfter als Herr Merkel seine Frau sehe. Niemand in seinem Team war aufgefallen, dass Merkels Ehemann mit Nachnamen Sauer heißt. Annäherungsversuche gibt es dennoch. Letztens schickte er der Kanzlerin eine Kiste mit Bordeaux-Weinen und lud sie nach ihrem Gipfeltreffen zum Mittagessen ins Haus seiner Frau Carla Bruni- Sarkozy ein. Beide kennen kaum das Land des anderen. Während es in der deutschen Regierungszentrale Beamte gibt, die Erfahrungen in Frankreich gesammelt haben, hat Sarkozy in seiner Umgebung keinen Berater, der Deutschland kennt oder deutsch spricht, wie die Politologin Sylvie Goulard anmerkt. Sarkozy hegt zudem eine tiefe Abneigung gegenüber Deutschland. In Berlin und noch mehr in Frankfurt am Main fühle er sich „terrorisiert“, gestand er der Schriftstellerin Yasmina Reza, die ihn während seines Wahlkampfs begleitete. Adressaten sind wohl in Berlin die politische Klasse und in Frankfurt die Banker - vor allem der Europäischen Zentralbank. Sarkozy fühlt sich eher den Briten zugewandt. Die Sozialreformen unter dem ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair haben ihn beeindruckt. Diese Verbundenheit erklärt auch, warum Merkel nicht zu einem Treffen im Vorfeld des EU-Gipfels nach London eingeladen wurde.

HILFT IHM DIE AUSSENPOLITIK DAHEIM?

Plätze in der Beliebtheitsskala werden bei Umfragen hauptsächlich nach innenpolitischen Kriterien vergeben. Erfolge im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und für mehr soziale Gerechtigkeit zählen da mehr als spektakuläre Auftritte auf der internationalen Bühne – so sehr es den Franzosen auch schmeicheln mag, dass ihr Präsident dort eine gewichtige Rolle spielt. In der Finanzkrise, die sich zur Wirtschaftskrise ausweitet und immer mehr Menschen um ihren Job fürchten lässt, erwarten die Franzosen von ihrem Präsidenten vor allem konkrete Maßnahmen wie das am Donnerstag angekündigte Konjunkturprogramm, um die Rezession abzuwenden. Nach einer neuen Umfrage hat sich Sarkozys Ansehen, das zum Jahresanfang auf einen Tiefpunkt von 32 Prozent positiver Meinungen gesunken war, mit 37 Prozent Zustimmung zu seiner Politik nur unwesentlich verbessert.


ZUR PERSON

GEBOREN
Nicolas Paul Stéphane Sarközy de Nagy-Bocsa, geboren am 28. Januar 1955 in Paris, entstammt einer ungarischen Familie. Sein Vater kam 1945 nach Frankreich, seine Mutter ist die Tochter eines aus Griechenland eingewanderten jüdischen Arztes.

AUSBILDUNG
Nach dem Abitur wurde Sarkozy Rechtsanwalt. Er trat der RPR bei und wurde 1983 zum Bürgermeister des Pariser Vororts Neuilly gewählt. Mit 34 Jahren zog er in die Nationalversammlung ein, mit 38 wurde er Budgetminister. Nach einer politischen Zwangspause infolge seines Eintretens gegen Jacques Chirac bei der Präsidentenwahl 1995 folgte 2002 sein Comeback. 2007 gewann er die Präsidentenwahl gegen die Sozialistin Royal.

FAMILIE
Sarkozy ist in dritter Ehe mit dem Ex-Model Carla Bruni verheiratet. Aus früheren Verbindungen hat er drei Söhne.

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