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Politik: „Frau Merkel gießt Öl ins Feuer“

Berlin - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mit ihrem Vergleich der iranischen Atomrüstung mit dem Aufstieg des nationalsozialistischen Deutschland in den 30er Jahren Irritationen ausgelöst. Außenpolitiker der SPD wandten sich am Dienstag entschieden gegen die Analogie.

Berlin - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mit ihrem Vergleich der iranischen Atomrüstung mit dem Aufstieg des nationalsozialistischen Deutschland in den 30er Jahren Irritationen ausgelöst. Außenpolitiker der SPD wandten sich am Dienstag entschieden gegen die Analogie. Einige warnen sogar vor einer Verschärfung des Atomkonflikts mit Teheran durch die Kanzlerin. „Frau Merkel gießt Öl ins Feuer, wenn sie solche Vergleiche benutzt“, sagte die Abgeordnete Uta Zapf dem Tagesspiegel.

Die Kanzlerin hatte auf der Sicherheitstagung in München mit Blick auf Irans Atomprogramm vor den Fehlern des Westens bei Hitlers Aufstieg Mitte der 30er Jahre gewarnt. Nach einem Schlagabtausch mit dem iranischen Vizeaußenminister Abbas Araghehi erinnerte Merkel an die Unterschätzung des nationalsozialistischen Zerstörungswillens durch die westlichen Demokratien. Heute wisse man, dass eine entschiedenere Reaktion möglich gewesen wäre, sagte sie. Gerade Deutschland sei verpflichtet, „den Anfängen zu wehren“. Nach dem Eindruck von Teilnehmern rückte die Regierungschefin den iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, der den Holocaust geleugnet hatte, in die Nähe Hitlers. Gewicht erhalten die Äußerungen, weil Merkel schon auf ihrer Israelreise diese Denkfigur verwendet und im Hinblick auf Iran ebenfalls vor einer Politik des „Appeasement“ gewarnt hatte.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gert Weisskirchen, sagte, Merkels Vergleich sei „ambivalent“. Einerseits begrüße die SPD die Entschiedenheit, mit der die Kanzlerin das Existenzrecht Israels gegen Irans Vernichtungsdrohungen verteidige. Andererseits gehe es nun darum, im Atomkonflikt Zeit zu gewinnen. „Wenn wir uns dabei selbst unter Druck setzen, bringen wir einen Automatismus in Gang, aus dem wir uns nicht mehr befreien können“, warnte Weisskirchen. Sozialdemokraten fürchten, die Union und die Kanzlerin könnten schleichend den außenpolitischen Kurs Deutschlands verändern. „Wenn Frau Merkel die Androhung präemptiver Militärschläge durch die USA indirekt unterstützt, kriegt sie einen Konflikt mit uns“, sagte Zapf. Mit dem NS-Vergleich betreibe Merkel „psychologische Eskalation“, weil er als Androhung militärischer Mittel gedeutet werden könne. Nötig sei, neue Möglichkeiten der Konfliktlösung mit Iran zu öffnen und die Chancen auszuloten, im Gegenzug zu einem Atomwaffenverzicht den Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen des Landes zu entsprechen. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) lehnt den Vergleich des Iran mit dem NS-Regime, wie ihn Merkel gezogen hat, ab. Nach der Fraktionssitzung bezog auch SPD-Chef Platzeck deutlich Position und lobte Steinmeier für dessen Warnung vor militärischem Denken.

Auch Historiker neigen der Meinung des Außenministers zu. Der Freiburger NS-Forscher Ulrich Herbert sagte dem Tagesspiegel: „Von deutschen Politikern angestellte Vergleiche mit dem Nationalsoszialismus sind so oft problematisch, weil sie immer aufs Letzte zielen.“ Die prekäre Gleichsetzung sei im Ringen um die Atomrüstung Irans auch nicht nötig: „Es bedarf keiner historischen Legitimation, um die Gefahr deutlich zu machen, die von der atomaren Bewaffnung einer fundamentalistischen Diktatur wie Iran droht .“ Dies sei durch politische Argumente besser zu leisten als durch den Versuch, die notwendige standhafte Haltung des Westens gegenüber Teheran mit der Erinnerung an Weltkrieg und Auschwitz zu begründen.

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