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Unter sich. Weibliche Führungskräfte beim Frauen-Gipfel im Kanzleramt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

© dpa

Frauenquote: Frauen-Gipfel im Kanzleramt - und Dominanz-Debatte in der Union

In der Union wird gegen die Frauenquote gewettert. Doch es geht um mehr: In CDU und CSU wächst der Kreis derer, die es nicht mehr hinnehmen wollen, dass die große Koalition sozialdemokratisch dominiert wirkt.

Von Robert Birnbaum

Michael Grosse-Brömer scheint mit dem Terminkalender der Kanzlerin nicht vertraut. Sonst wäre es dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion kaum eingefallen, einen Tag vor einem Frauen-Gipfel bei Angela Merkel einen Koalitionsstreit ausgerechnet über die Frauenquote loszutreten. So darf er sich am Mittwoch indirekt angesprochen fühlen, als Merkel das Treffen mit „Frauen in Führungspositionen“ eröffnet. „Es ist so beschlossen, und nun wird es auch so gemacht“, stellte die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende klar. „Wir werden feststellen, dass das Leben nicht beschwerlicher wird.“

Ob der flapsige Tadel den Streit beendet, ist allerdings nicht sicher. Denn hinter Forderungen wie denen Grosse-Brömers und anderer Unionspolitiker, das geplante Gesetz zur Frauenquote aufzuschieben oder an ein Paket zur Wirtschaftsentlastung zu knüpfen, steckt ein viel grundsätzlicherer Konflikt. In CDU und CSU wächst der Kreis derer, die es nicht mehr hinnehmen wollen, dass die große Koalition sozialdemokratisch dominiert wirkt. Seit SPD-Politiker obendrein Projekte wie die schwarze Null im Haushalt infrage stellen, sinnen Unionsleute auf Gegenmaßnahmen zur Schärfung des eigenen Profils.

Den Anlass bietet die schwächelnde Konjunktur. Grosse-Brömer hatte die Frauenquote als Belastung für Teile der Wirtschaft eingestuft – und weitere Belastungen dürfe es gerade bei bröckelnden Wirtschaftsdaten nicht geben. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) setzte via „Bild“ eins drauf: Die Zwangsquote für Unternehmen sei in solchen Zeiten „das komplett falsche Signal“.

Aber die Kritik beschränkt sich keineswegs auf die Frauenfrage. Fraktionsvize Michael Fuchs verlangt ein regelrechtes Sparpaket, um das Ziel des ausgeglichenen Haushalts zu erreichen. Peter Ramsauer fordert sogar nichts weniger als die Rückabwicklung des Koalitionsvertrags – jedenfalls, soweit er SPD-Projekte betrifft. Der Ex-Minister, heute Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, rasselt in aller Herrgottsfrühe im Deutschlandfunk eine Latte von Ideen runter, wie sich die Wirtschaft ankurbeln ließe: Mindestlohn aufschieben, Rente mit 63 aussetzen, Sanktionen gegen Iran und Russland aufheben, alte Progression abschaffen. Luftverkehrssteuer auch gleich mit …

Nun war der CSU-Mann noch nie für übertrieben subtile Gedankengänge bekannt. Auch diesmal löst die Holzschnitzerei in den eigenen Reihen ein leises Aufstöhnen aus. Das ändert aber nichts daran, dass bis in die Führung der Union hinein erwogen wird, sozialdemokratische Projekte zu bremsen.

Das gilt zum einen inhaltlich. „Wir werden den Koalitionsvertrag sehr, sehr genau einhalten“, schwört ein Wirtschaftspolitiker mit Blick auf verabredete Änderungen bei Zeit- und Werkverträgen. Das gilt vor allem aber zeitlich. Bis auf wenige Ausnahmen, sagt einer aus der Unionsführung, stehe im Koalitionsvertrag kein Datum für die einzelnen Projekte: „Über Zeitpläne kann man immer reden.“

Für die Frauenquote allerdings gilt genau das nicht: Ihre Einführung – als Pflicht für börsennotierte Firmen und als Pflicht zur Selbstverpflichtung für andere größere Firmen – ist im Koalitionsvertrag mit der Jahreszahl 2015 verknüpft. Das schließt Streit im Detail nicht aus. Selbst aus den Gewerkschaften werden ja Bedenken gegen eine allzu starre Quoten-Parität laut. Schließlich, gab DGB-Vize Elke Hannack in der „Passauer Neuen Presse“ zu bedenken, kämen die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat aus der Belegschaft. Doch dass die Quote kommt, ist jetzt noch viel klarer als zuvor. Beim Frauentreffen mit Merkel jedenfalls wurde – anders als bei der ersten Veranstaltung dieser Art – nicht der leiseste Zweifel mehr laut.

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