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Politik: Frei über den Wolken

Der Bundestag kontrolliert nicht, ob Bonusmeilen von Dienstflügen privat genutzt werden. Gregor Gysi hat Meilen auch verschenkt

Von Gerd Appenzeller, Matthias Meisner und Robert von Rimscha

Die Verwaltung des Bundestages stellt zunächst die glänzende Seite der Medaille heraus: Durch die Nutzung von Bonusmeilen aus dem Miles-and-more-Programm der Lufthansa konnte sie den Abgeordneten im vergangenen Jahr zusätzliche Dienstreisen ermöglichen – ohne Kostensteigerung. Ein Sprecher von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sagte dem Tagesspiegel, das zusätzliche Reisevolumen habe 2001 bei etwa 700000 Euro gelegen. Der Betrag ergab sich durch Bonusmeilen, die Lufthansa Parlamentariern für Dienstflüge gutgeschrieben hatte. Die Bundestagsverwaltung nutzt die Meilen vor allem für Fernreisen von Parlamentsausschüssen. Die Abgeordneten werden dabei gefragt, ob ihre Meilenkonten genügend Freimeilen für den Flug aufwiesen. Dann werde individuell entsprechend gebucht.

Inzwischen ist klar, dass nicht jeder Parlamentarier so gehandelt hat, wie es der Ältestenrat des Parlaments 1997 beschlossen hatte. Nachdem der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir vergangene Woche über die private Nutzung von dienstlich erflogenen Bonusmeilen stolperte, hat nun auch der Berliner Wirtschaftssenator Gregor Gysi eine Flugaffäre am Hals. Er räumte ein, als Bundestagsabgeordneter in den Jahren 2000 und 2001 Bonusmeilen auch privat genutzt zu haben – unter anderem für einen Flug seiner Frau und Tochter nach Kuba. Dies sei ein Fehler gewesen. Er sei falsch informiert worden und habe sich selbst auch nicht genügend sachkundig gemacht. Gysi bat die Lufthansa um eine Aufstellung der verbrauchten Bonusmeilen. Einen den eingesparten Kosten entsprechenden Betrag will er an Amnesty International überweisen. Der Vizepräsident des Steuerzahlerbundes, Dieter Lau, hatte zuvor prophezeit: „Özdemir wird mit Sicherheit nicht der einzige Abgeordnete sein, der den Dienstbonus privat genutzt hat.“

Kontrolliert wird – bisher – nicht. „Ein Problem, das letztlich die Bundestagsverwaltung lösen muss“, heißt es aus den Fraktionen. Die Verwaltung argumentiert, sie sei auf Treu und Glauben davon abhängig, dass die Abgeordneten die bei Dienstreisen gutgeschriebenen Bonusmeilen korrekt an die Reisestelle melden. Sie sieht sich nicht als Kontrollorgan der Parlamentarier. Eine Reihe von Abgeordneten gibt von sich aus die laufenden Übersichten der Lufthansa über die individuellen Bonuskonten weiter. Denkbar wäre, künftig eine Kopie der individuellen Quartalsübersichten der Bonusprogramme von Lufthansa und anderen Fluggesellschaften zu verlangen – womöglich wird es in der nächsten Legislaturperiode zu einer solchen Verschärfung kommen. „Jedem Abgeordneten sind die Regularien klar“, sagt Dorothee Winden, Sprecherin der Grünen-Fraktion. „Ich registriere Spekulationen, wonach querbeet gegen die Regeln verstoßen wurde. Ich habe dazu keinerlei Erkenntnisse.“

Zu weißen Schafen erklärten sich auch die Fraktionschefs der beiden Volksparteien. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz ließ auf Tagesspiegel-Anfrage erklären: „Ich habe alle Flüge korrekt abgerechnet und nicht ein einziges Mal Meilen privat genutzt.“ Das Büro des neuen SPD-Fraktionschefs Ludwig Stiegler teilte dem Tagesspiegel mit: „Bonusmeilen sind von mir definitiv, ohne wenn und aber, nicht privat genutzt worden.“

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