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Politik: Freiheit von Ordnung

Von Lorenz Maroldt

War das eine große Rede? Der Gastgeber des Bundespräsidenten, Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, hat sie gleich so genannt, pflichtschuldig, auch sich selbst gegenüber. Ungewöhnlich lang anhaltender Beifall für eine Veranstaltung im Haus der Wirtschaft wurde vermerkt, dazu noch, das Besondere unterstreichend, stehend dargebracht. Also? Eine große Rede zeichnet sich nicht allein durch Worte aus, den Rahmen, die Erwartung, den Applaus, sondern: durch eine neue Idee, durch Mut, durch Gefühl. An alledem aber hat es Köhlers Rede über die „Ordnung der Freiheit“ weitgehend gefehlt.

Paradoxerweise war das, was der Bundespräsident sagte, zu richtig, um richtig gut zu sein. Strittig ist in Deutschland nicht die Analyse des Zustands von Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitsmarkt; schon die so genannte RuckRede des damaligen Präsidenten Roman Herzog, gehalten vor acht Jahren während der Regierungsdämmerung von Helmut Kohl, enthielt wesentliche Punkte, die Köhler nun zum Teil wiederholte. Strittig sind auch nicht die Allgemeinplätze zur vermeintlich folgerichtigen Lösung aller Probleme, zum Beispiel: Abbau von Bürokratie, Vereinfachung des Steuersystems, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und, nicht zuletzt, der Appell, jeder trage seinen Teil dazu bei. Das ist alles bekannt und sogar anerkannt. Interessant ist, warum nicht danach gehandelt wird, jedenfalls nicht konsequent. Dazu war von Köhler zu wenig zu hören.

Eine große Rede muss auch klar sein. Diese hier, seit langem geplant, war ungeheuer aufgeladen durch den Zufall des „Jobgipfels“ just in dieser Woche. Der Bundespräsident fand sich plötzlich in der Rolle des „Superhorst“ wieder. Wo sich Regierung und Opposition angesichts von mehr als fünf Millionen Arbeitslosen in Details verhaken, sollte Köhler als Weiser und Mittler das Wunder schaffen, alle Parteien und Interessengruppen auf eine gemeinsame Politik, eine große Linie festzulegen. Das war eine strukturelle Überforderung des Amts und eine persönliche dazu. Der Präsident tadelte und appellierte, aber so, dass für die Deutung viel Raum blieb. Zu viel. So sah jede der direkt oder indirekt angesprochenen Parteien und Gruppen die jeweils andere zur Einsicht aufgefordert. Hoffnungsfroh stimmt das nicht.

Unbequem ist ein Attribut, dass Köhler gerne zur Schau trägt. Aber unbequem war er hier nur zum Schein. Zu allgemein, zu unkonkret blieb das, was er sagte. Dass er die Arbeitgeber in deren eigenem Haus mit in die Verantwortung nahm, war nur rhetorisch relevant. In die Pflicht genommen fühlen sich die Gastgeber jedenfalls nicht, wie die forsche Zusammenfassung der Rede durch Dieter Hundt sogleich zeigte.

Neu war allenfalls ein Begriff, einem alten FDP-Slogan entlehnt: Köhler fordert eine „politische Vorfahrtsregel für Arbeit“. Das hört sich flott an, im ersten Moment. Was der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen nutze, müsse getan, was dem entgegenstehe, unterlassen werden. „Was anderen Zielen dient, und seien sie noch so wünschenswert, ist nachrangig.“ Guido Westerwelle meint darin eine Kritik am Antidiskriminierungsgesetz der Regierung herauszuhören, SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter gab an, nichts dergleichen vernommen zu haben. So lädt auch diese unscharfe Äußerung Köhlers zu neuem Parteienstreit ein. Zu Ende denken möchte man die wolkigen Worte des Präsidenten ohnehin lieber nicht. Da fallen einem doch ein, zwei Werte ein, die es mindestens gleichrangig zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu verteidigen lohnte. Zur Not sogar gegen sie.

Köhler zitierte nicht sehr originell: Erhard, Montesquieu, Kennedy – Instant- Redenbausteine. Was war das Besondere, das Eigene, das über den Tag hinaus für andere Redner Zitable? Ordnung der Freiheit, so hatte Köhler seinen Text überschrieben. Beschrieben hat er dann doch eher die Freiheit von Ordnung. In diesem Sinne war er mehr Oppositionspräsident als Bundespräsident. Das ist seine Freiheit, das ist in Ordnung. Aber das ist weniger, als zu erwarten war.

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