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Verstehen sich. Altkanzler Schröder und der türkische Präsident Erdogan (Foto aus dem Jahr 2006).

© Burhan Ozbilici/AFP

Freilassung von Peter Steudtner: Deutschland darf sich nicht auf Erdogans Spiel einlassen

Gerhard Schröders Vermittlung im Fall Peter Steudtner ist richtig. Die Bundesregierung muss aber sagen, ob es eine Gegenleistung gab. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Güsten

Ein Verdacht trübt die Freude über die Freilassung des Berliner Menschenrechtlers Peter Steudtner nach mehr als 100 Tagen in türkischer Haft. Wenn es stimmt, dass Altkanzler Gerhard Schröder mit einer persönlichen Intervention beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan die Rückkehr Steudtners nach Deutschland ermöglichte, stellen sich mindestens zwei Fragen. Gab es eine deutsche Gegenleistung – wenn ja, welche? Und: Spielt die Bundesrepublik Deutschland damit nicht Erdogans Spiel?

Um es klar zu sagen: Noch gibt es keinen Hinweis darauf, dass Schröder mit Erdogan in einer irgendwie inakzeptablen Weise „gedealt“ haben könnte. Dass die beiden persönlich gut klarkommen, ist bekannt. Wenn Erdogans Vertrauen zu Schröder zu einer Lösung beitragen kann, die für beide Seiten gut ist, ist das zu begrüßen. Deutschland kann sich über Steudtners Rückkehr freuen, während die Türkei einen Streit mit der Bundesrepublik aus der Welt geschafft hat.

Vertrauliche Gespräche gehören zu den wichtigsten Instrumenten bei der Bewältigung internationaler Krisen. Dass die Bundesregierung über Schröder den diskreten Kontakt mit der türkischen Führung sucht, um die Freilassung von deutschen Häftlingen in der Türkei zu erreichen, ist richtig. Nur sollte Berlin jetzt so schnell wie möglich klarstellen, ob im Fall Steudtner über Zugeständnisse gesprochen wurde. Sonst wird ein fader Nachgeschmack bleiben.

Deutschland sollte sich nicht dem Verdacht von Tauschgeschäften aussetzen. Kontakte nach Ankara sollten genutzt werden, um der türkischen Regierung die Folgen ihres Handelns klarzumachen, denn sie kann nicht allen Ernstes darauf hoffen, in Europa als Partner angesehen zu werden, wenn sie westliche Menschenrechtler und Journalisten einsperrt.

Türkische Sorgen nach dem Putschversuch von 2016 verdienen zwar, gehört und ernst genommen zu werden. Auch müssen sich Deutsche und andere Europäer fragen lassen, ob sie mit der kurdischen Terrororganisation PKK in ihren Ländern nicht entschiedener umgehen könnten als bisher. Doch heißt das nicht, dass die zunehmende staatliche Willkür in der Türkei einfach so als Geschäftsgrundlage hingenommen werden darf.

Falsch wäre, sich auf Erdogans Logik einzulassen

Wenn Bundesbürger wie Steudtner mit völlig absurden Begründungen oder aus offenbar politischen Motiven hinter Gittern sitzen, muss es eine Antwort geben, kein Gefeilsche über Leistung und Gegenleistung. Deshalb ist es richtig, die Hermes-Bürgschaften für Türkei-Geschäfte zu kappen oder andere wirtschaftspolitische Strafmaßnahmen zu ergreifen. Falsch wäre, sich auf Erdogans Logik einzulassen, die der türkische Staatschef ganz offen formuliert: Wenn der Westen die Freilassung seiner inhaftierten Staatsbürger erreichen will, dann muss er angebliche türkische Staatsfeinde an Ankara überstellen.

Ganz abgesehen von rechtlichen oder moralischen Überlegungen wäre ein solcher Tauschhandel politisch kurzsichtig. Welchen Preis wird Erdogan bei einem Häftling wie Deniz Yücel verlangen, den er persönlich als feindlichen Agenten bezeichnet hat? Wird die türkische Regierung nicht geradezu ermuntert, weitere westliche Staatsbürger in Haft zu nehmen, um Verhandlungsmasse für das nächste Geschäft aufzubauen? Es wäre gut, wenn sich solche Fragen für Deutschland nicht stellten.

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