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Politik: Freispruch – für mehr Investoren

Weißrussland braucht Devisen. Jetzt hat der Präsident seinen größten Widersacher aus der Haft entlassen

Alexander Lukaschenko hat den Westen überrascht. Rund einen Monat vor der Präsidentschaftswahl hat Weißrusslands despotischer Staatschef den Oppositionspolitiker Alexander Kosulin am Wochenende vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Zu den Gründen gab es keine offiziellen Informationen.

Kosulin zählt zu den schärfsten Kritikern des autoritär regierenden Lukaschenko. Vor zwei Jahren war er als Präsidentschaftskandidat gegen ihn angetreten, die der Staatschef laut offiziellem Ergebnis damals mit weit über 80 Prozent der Stimmen gewann. Kosulin warf Lukaschenkow Fälschung vor und rief zur friedlichen Revolution gegen ihn auf. Daraufhin wurde er wegen „Anstiftung zu organisierten Massenunruhen“ zu fünfeinhalb Jahren Straflager verurteilt.

Die EU und die USA hatten die Freilassung Kosulins sowie anderer Oppositionspolitiker daraufhin zur Bedingung für eine Wiederbelebung der Beziehungen zwischen Brüssel und Minsk gemacht. Nun scheint der innen- wie außenpolitische Druck auf Lukaschenko so groß geworden zu sein, dass er sogar seinen prominenten Kritiker auf freien Fuß setzt.

Bisher konnte Lukaschenko sein Volk durch viele Vergünstigungen ruhig halten. Die Renten werden in Weißrussland pünktlich gezahlt und es gibt offiziell kaum Arbeitslose. Doch nun droht dem maroden, künstlich am Leben gehaltenen Wirtschaftskreislauf der Kollaps, da die tatsächliche Wirtschaftskraft des Landes längst nicht mehr mit den steigenden Ausgaben für die Sozialsysteme mithalten kann.

Angesichts dieser wirtschaftlichen Krise hat nun der weißrussische Ministerrat ein großes Privatisierungsprogramm beschlossen, für das Lukaschenko dringend Investitionen aus dem Ausland braucht. Mehr als 500 staatseigene Unternehmen sollen verkauft werden und so Geld in die klamme Staatskasse spülen. Wie groß die Not sein muss, zeigt schon allein, dass die wichtige Druschba-Ölpipeline versteigert werden soll, durch die russisches Öl über Weißrussland in Richtung Westen fließt. Zudem steht der große und bekannte Industriekonzern „Minsker Motorenwerke“ und das „MAZ“-Autowerk für Laster und Busse auf der Verkaufsliste. Bereits Mitte dieses Jahres wurde der Mobilfunkanbieter BeST an den türkischen Telekommunikationskonzern Turkcell für 500 Millionen Dollar verkauft und die österreichische Raiffeisen International erwarb die drittgrößte weißrussische Prior Bank.

Offensichtlich dient die Freilassung Alexander Kosulins als eine Art „Einladung“ an westliche Investoren, sich an der Privatisierung zu beteiligen. Andererseits glaubt Lukaschenko womöglich, dass er in den vergangenen Monaten die Opposition so stark geschwächt hat, dass ihm Alexander Kosulin vor der Präsidentenwahl am 28. September nicht mehr gefährlich werden kann.

Knut Krohn[Warschau]

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