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Politik: Freispruch vor dem Urteil

Der Hamburger Mzoudi-Prozess scheint schon vor den Plädoyers entschieden zu sein

Von Frank Jansen

Jetzt kann alles ganz schnell gehen. Am Hamburger Oberlandesgericht wird am heutigen Donnerstag im Mzoudi-Prozess der letzte Zeuge gehört. Gleich danach könnte die Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer vortragen und die Schlussphase einläuten in einem Verfahren, das zunehmend chaotisch wirkt, aber offenbar entschieden ist. Der 3. Strafsenat hat am Montag, wie erst jetzt im Detail bekannt wurde, die Beschwerde von Generalbundesanwalt Kay Nehm gegen die überraschende Freilassung von Abdelghani Mzoudi zurückgewiesen. Nehm hält Mzoudi weiterhin für dringend verdächtig, von Hamburg aus die Attentäter des 11. September unterstützt und somit Beihilfe zum 3066fachen Mord geleistet zu haben. Doch das Gericht schmetterte die Beschwerde mit einer neunseitigen Begründung ab, die sich fast wie ein vorweggenommenes Urteil liest.

Auf Seite drei spricht der Senat Mzoudi de facto frei: „Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Angeklagte Mzoudi zwar der Beihilfe zum Mord weiterhin verdächtig ist, aber der Verdacht ist nicht mehr dringend.“ Und weiter: „Der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung beziehungsweise der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ist nicht mehr aufrechtzuerhalten.“ Der Senat müsse davon ausgehen, dass „eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 129 a in Deutschland nicht bestanden hat“. Die Hamburger Zelle um die Attentäter Mohammed Atta, Marwan al Shehhi und Ziad Jarrah war demnach keine eigenständige inländische Teilorganisation von Al Qaida. Ein Sicherheitsexperte, der ungenannt bleiben will, reagiert drastisch: „Ist der Senat wahnsinnig geworden?“

Der Mann, der dies womöglich bewirkt hat, tritt heute als Zeuge auf. Jürgen Maurer, im Bundeskriminalamt Chef der Abteilung Staatsschutz, hatte dem Gericht in der vergangenen Woche ein Fax geschickt, in dem eine „Auskunftsperson“ zitiert wird. Sie sagt, die einzigen Mitglieder der Hamburger Zelle seien Atta, al Shehhi, Jarrah und der Jemenit Ramzi Binalshibh gewesen. Ihn halten die Amerikaner irgendwo fest, und er selbst ist vermutlich die „Auskunftsperson“. Ob Maurer die Aussagegenehmigung hat, heute die Person und weitere Details zu nennen, ist offen. Doch der Senat, so vermuten Prozessbeobachter, will nur noch eines: das Verfahren möglichst rasch hinter sich bringen. Am liebsten noch vor Weihnachten.

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