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© dpa

Freitagsgebet: Endzeitszenarien im Iran

Der Machtkampf in Teheran geht in die nächste Runde. Das Freitagsgebet an der Teheraner Universität wird der mächtige Ex-Präsident Hashemi Rafsandschani halten. Damit kommt erstmals seit dem Wahltag bei der politischen Zentralversammlung des Landes ein erklärter Gegner von Präsident Mahmud Ahmadinedschad zu Wort.

Rafsandschani ist Vorsitzender des 86-köpfigen Expertenrates, der nach der Verfassung das Recht hat, den obersten Religionsführer Ali Chamenei abzusetzen. In der ersten Reihe der Zuhörer sollen auch Mir-Hossein Mussawi und Mohammed Chatami sitzen – so ist es jedenfalls auf der Facebook-Seite Mussawis angekündigt. Und seine grünen Anhänger forderte der Reformkandidat auf, in Massen auf die Straßen zu gehen.

Drei Freitagsgebete hatte es seit der umstrittenen Wahl am 12. Juni gegeben, denen Rafsandschani, Mussawi und Chatami demonstrativ fernblieben. Beim ersten trat Chamenei persönlich auf, der jede Konzession an die Reformer kategorisch ausschloss, ein Ende der Demonstrationen verlangte und das Wahlergebnis für unanfechtbar erklärte. Bei den nächsten forderten Ajatollahs aus seiner Umgebung unerbittliche Härte gegen Demonstranten und die Todesstrafe für deren Anführer.

Doch statt verhaftet und abgeurteilt zu werden, erscheinen diese nun am Freitag persönlich auf der politischen Bildfläche in Teheran, um ihre Forderungen live im iranischen Staatsfernsehen vorzutragen. Diese überraschende Wende lässt zwei Deutungen zu: Entweder zeichnet sich hinter den Kulissen ein Kompromiss ab, um das System der Islamischen Republik nicht noch weiter zu gefährden. Oder die Reformer haben sich mit Rückendeckung Rafsandschanis entschlossen, den Konflikt um die Macht nun offen auszufechten. Denn Präsident Ahmadinedschad kann sich im Ausland nirgendwo mehr sehen lassen, in der Wirtschaft des Landes zeigen sich erste Schäden. Und bei kritischen Wortmeldungen aus den Reihen der Elite des Landes sind in den letzten Tagen praktisch alle Tabus gefallen. So warnte der konservative Mitkandidat, der langjährige Chef der Revolutionären Garden, Mohsen Rezai, vor einem „inneren Zusammenbruch“ des Systems. Wenn diese Situation anhalte, „werden wir alle zusammen bergab rasen und noch mehr Schaden erleben“, schrieb er auf seiner Website und rief die iranische Polit-Elite auf, ihre Spaltungen zu überwinden. Die Herren Mussawi, Ahmadinedschad und Karubi sollten sich zusammensetzen – „zum Wohle des Landes und im Interesse der Nation“.

Großajatollah Hossein-Ali Montazeri, der ursprünglich Revolutionsführer Chomeini nachfolgen sollte und jahrelang als Dissident unter Hausarrest stand, erinnerte sogar an das Schicksal des Schahs. „Das Land gehört dem Volk, nicht irgendjemandem“, schrieb der angesehene Geistliche in seiner zweiten, sehr scharfen Stellungnahme zum Wahlausgang. Der Schah habe erst dann „den Ruf der Revolution des Volkes vernommen, als es schon zu spät war. Es bleibt zu hoffen, dass die gegenwärtigen Amtsträger es nicht so weit kommen lassen.“ Eine Obrigkeit, die auf Knüppeln, auf Ungerechtigkeit und Rechtsverletzungen basiere, die sich der Wahlstimmen bemächtige und diese manipuliere, die morde, verhafte und mit stalinistischen Methoden foltere, die ein Klima der Unterdrückung schaffe, Zeitungen zensiere, Kommunikationswege störe, die gebildete Elite der Gesellschaft unter absurden Vorwänden inhaftiere und falsche Geständnisse erpresse, eine solche Obrigkeit sei aus religiöser Sicht und in den Augen eines jeden Vernünftigen zu verurteilen, schrieb er. „Sie besitzt keinen Wert.“

Auch Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi sieht die Regierung durch die wachsende Kritik aus den Reihen der Geistlichen geschwächt. „Die Gewalt war so intensiv, dass die Würdenträger aus ihrer Ruhe gerissen wurden“, sagte sie. „Zwei Großajatollahs und andere haben gesagt, dass die Gewalt nicht mit dem Islam vereinbar sei. Diese Proteste seitens der Würdenträger führen dazu, dass diese Regierung ihre Legitimität verliert.“

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