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Politik: Freitod eines Kriegsverbrechers

Milan Babic, vom UN-Tribunal verurteilter Ex-Chef der „Republik Krajina“, hat sich das Leben genommen

Eigentlich hätte er erfolgreicher Zahnarzt werden können. Doch als zu Beginn der 90er Jahre der Vielvölkerstaat Jugoslawien auseinander fiel, tauschte Milan Babic den weißen Kittel gegen den Armani-Anzug. Der verurteilte Kriegsverbrecher, der sich am Sonntagabend im UN-Untersuchungsgefängnis in Den Haag erhängt hat, wurde damals Bürgermeister der mehrheitlich von Serben bewohnten Stadt Knin in Kroatien. Dann führte er 1991 und 1992 die Regierung der selbst ernannten „Republik Krajina“ der kroatischen Serben. Die aufständischen Serben kontrollierten damals etwa ein Drittel Kroatiens und kämpften für die Vereinigung mit Serbien.

Babic gehörte zum harten Kern der Extremisten. Als er 1991 die Macht übernahm, lebten in der Krajina laut Anklageschrift des UN-Tribunals für das frühere Jugoslawien mehr als 78 000 Kroaten und rund 2000 Muslime. Innerhalb eines Jahres wurden sie von Babics bewaffneten Banden vertrieben, deportiert oder getötet. Selbst dem Belgrader Herrscher Slobodan Milosevic galt Babic als unnachgiebig, weil er alle Friedenspläne der internationalen Gemeinschaft ablehnte. Kurz vor der Eroberung der Krajina durch die kroatische Armee 1995 ließ sich Babic mit seiner Familie in Belgrad nieder. Im Juni 2004 verurteilte ihn das Haager Tribunal zu dreizehn Jahren Haft wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Zuvor hatte Babic seine Schuld gestanden und die kroatische Öffentlichkeit um Vergebung gebeten.

Das Tribunal gab nie bekannt, in welchem Land Babic seine Strafe verbüßte. Der 50-Jährige hatte im Herbst 2002 drei Wochen lang im Prozess gegen Slobodan Milosevic ausgesagt. Er warf Serbiens Ex-Präsidenten vor, eine entscheidende Rolle im Krieg gegen Kroatien gespielt zu haben. Babics Familie wurde daraufhin unter besonderen Schutz gestellt.

Im vergangenen Monat war Babic nach Den Haag zurückgebracht worden, wo er gegen andere mutmaßliche Kriegsverbrecher wie den ehemaligen Führer der Krajina-Serben Milan Martic, den serbischen Ex-Geheimdienstchef Jovica Stanisic und den Radikalenführer Vojislav Seselj hätte aussagen sollen. Babics Suizid ist nicht der erste in den Zellen des UN-Tribunals. 1998 hatte sich der kroatische Serbe Slavko Dokmanovic kurz vor der Urteilsverkündung im Gefängnis von Scheveningen erhängt. Der frühere Bürgermeister von Vukovar musste sich wegen Kriegsverbrechen an kroatischen Zivilisten verantworten.

Babics Selbstmord könnte dem Ansehen des UN-Tribunals in Serbien zusätzlich schaden und die Fahndung nach Ratko Mladic erschweren. Zwar erklärt sich erstmals eine Mehrheit der serbischen Bevölkerung bereit, den ehemaligen Armeechef der bosnischen Serben zu opfern, um die Integration des Landes in der EU nicht zu gefährden. Doch viele Serben sind zerrissen zwischen dem großserbischen Traum und jenem von der Zukunft in Europa. Stärkste Partei im serbischen Parlament sind immer noch die Radikalen des Haager Häftlings Vojislav Seselj – jene politische Kraft also, die zusammen mit Milosevics Sozialisten Serbien in den 90ern in mehrere Kriege gegen andere Völker auf dem Balkan gehetzt hat. Als kürzlich die Meldungen über die Verhaftung Mladics Aufregung auslösten, versammelten sich mehr als 10 000 Serben in Belgrad und ließen Mladic als „Volksheld“ hochleben. Die Kundgebung hatte die Radikale Partei organisiert, um gegen die „Haager Tyrannei“ zu protestieren.

Die EU erwartet, dass Belgrad bis Ende März den Hauptschuldigen für das Massaker von Srebrenica und die Belagerung Sarajevos festnimmt. Sonst würden die Verhandlungen für ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Belgrad unterbrochen. Das hat auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier vergangene Woche in der serbischen Hauptstadt klar gemacht. Für die schwache Minderheitsregierung von Premier Vojislav Kostunica, die im Parlament auf die Stimmen der Sozialisten von Milosevic angewiesen ist, steht viel auf dem Spiel.

Enver Robelli[Zürich]

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