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Politik: Freiwillige Selbstaufgabe

Von Harald Maass, Peking Hongkong glitzert noch. Wer mit der alten britischen Star-Ferry im Hafen anlegt, dem verschlägt diese Stadt noch immer den Atem.

Von Harald Maass, Peking

Hongkong glitzert noch. Wer mit der alten britischen Star-Ferry im Hafen anlegt, dem verschlägt diese Stadt noch immer den Atem. Mächtige Hochhäuser, Menschenmassen in vollklimatisierten Einkaufszentren. Auf riesigen Fernseh-Leinwänden flimmert Reklame für die neuesten Handys. Doch die Glitzerschicht über der Stadt ist dünn. Darunter ist die Stimmung düster.

Seit dem 11. September hagelte es schlechte Nachrichten. Geschäftsleute klagen, dass die Menschen weniger Geld ausgeben. Immobilienbesitzer stöhnen über niedrige Mieteinnahmen. Einheimische Firmen gehen bankrott, ausländische ziehen weg. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordhoch von 7,4 Prozent. Und Hongkong steht vor einem besonderen Datum. Am 1. Juli jährt sich zum fünften Mal der Tag, an dem die letzte britische Kolonie in Asien an China zurückgegeben wurde. Viele fragen: Was ist schief gelaufen beim Machtwechsel?

Die Hochhausmetropole war mehr als nur eine Stadt. Sie war die Erfolgsgeschichte Asiens. Hongkong war das Tor zu einer Milliarde Chinesen. Das Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt lag höher als in England, die Tatkraft der Hongkonger war berühmt. Aber jetzt macht Pessimismus die Menschen mutlos. Ausgerechnet vom Aufstieg Chinas, dessen wirtschaftliche Öffnung der Stadt so viel Wohlstand gebracht hat, fühlen sich die Hongkonger bedroht.

Vor dem Machtwechsel sahen viele die kommunistischen Herrscher in Peking als die größte Gefahr für Hongkong. Peking würde die Zeitungen zensieren und unliebsame Kritiker einsperren lassen, hieß es. Das ist nicht eingetreten. Selbst Peking-Kritiker geben zu, dass sich Chinas Regierung weitgehend an die vereinbarte Formel „Ein Land, zwei Systeme“ gehalten hat.

Trotzdem werden die Unterschiede immer geringer. Erstaunlicherweise sind es die Hongkonger selbst, die im vorauseilenden Gehorsam ihre Rechte aufgeben. Mit Blick auf den wachsenden chinesischen Markt kündigten Hongkonger Zeitungen kritischen Journalisten. Als Falun-Gong-Anhänger vor der Pekinger Vertretung eine ständige Mahnwache aufstellten, ließ die Stadt just dort ein Blumenbeet anlegen. Es sind viele Einzelfälle, mit denen Hongkongs Freiheitsrechte ausgehöhlt werden. In der Kritik steht vor allem Regierungschef Tung Chee-hwa, der von einer Lobby aus China-freundlichen Geschäftsleuten unterstützt wird.

Als Reaktion auf die Kritik in der Bevölkerung hat Tung für seine zweite Amtszeit ein Ministersystem eingeführt. Statt Beamten werden in Zukunft 14 Minister die Ressorts führen. Doch weder die Minister noch Tung wurden von den Bürgern gewählt. Den Regierungschef hat ein 800-köpfiges Gremium ernannt, in dem Peking die Kontrolle hat. Demokratie interessiert in der Wirtschaftsstadt, dafür haben auch die Kolonialherren gesorgt – bis heute nur eine Minderheit.

Theoretisch könnten die Hongkonger 2007 ihre Regierung demokratisch wählen, so hatten es Peking und London vereinbart. In der Realität erwartet das niemand. Menschenrechtsexperten warnen: Hongkong bewege sich eher zurück und werde wie China.

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