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Politik: Fremd unter Freunden

Spaniens Konservative kritisieren Aznars Irak-Politik

Spaniens Konservative erleben wegen ihrer kriegsfreundlichen Position die bittersten Stunden ihrer Geschichte. Es scheint, als habe sich das ganze Land gegen sie erhoben. Auf der Straße und sogar im nationalen Parlament werden sie als „Mörder“ beschimpft. Hunderte Parteibüros in Städten und Dörfern werden fast täglich mit Eiern und Tomaten bombardiert. Konservative Versammlungen können nur noch unter starkem Polizeischutz abgehalten werden. Der Zorn des Volkes, das zu 90 Prozent gegen den Krieg ist, und dabei auch die Kirche auf seiner Seite hat, verwandelt sich in Aggressivität gegen die Regierung von Jose Maria Aznar, die heute den Umfragen zufolge keine Chance auf Wiederwahl mehr hätte.

Doch die Wut gegen Aznars eiserne USA-Gefolgschaft radikalisiert nicht nur die sozialdemokratische und kommunistische Opposition, die laut Erhebungen zusammen nun sogar die absolute Mehrheit erobern könnten. Auch die konservative Volkspartei rebelliert zunehmend gegen ihren großen Vorsitzenden Aznar, der freilich immer noch den „Zusammenhalt“ seiner Truppen beschwört. Die Zahl der Parteidissidenten wird täglich größer, genauso wie die Unzufriedenheit der Konservativen mit ihrem Chef, der die Partei ohne Rücksicht auf Verluste in die größte Krise ihrer Geschichte manövrierte. In zwei Monaten, bei den Kommunal- und Regionalwahlen, könnte die erste Quittung ins Haus kommen. Vor allem an der konservativen Basis wird die Kritik am Regierungschef lauter, der auch in den eigenen Reihen den Ruf hat, die Partei autoritär und selbstherrlich zu führen. Eines der Zentren des innerparteilichen Aufstandes ist die friedliche Insel Mallorca, wo der Regionalchef der Konservativen, Pere Rotger, sich von Aznars Getrommel distanzierte. In mehreren Mallorca- Rathäusern beschlossen die Konservativen Resolutionen wie die folgende: „Wir lehnen die Entscheidung der spanischen Regierung und besonders des Ministerpräsidenten ab, den kriegerischen Kurs des US-Präsidenten zu unterstützen.“ Und noch deutlicher: „Wir stellen fest, dass dieser Krieg nicht in unserem Namen geführt wird.“

Auch prominente Mitglieder der konservativen Parteiführung rufen inzwischen indirekt zum Widerstand gegen Aznar auf. Etwa Felix Pastor Ridruejo, einer der Väter der spanischen Konservativen und früherer Schirmherr des jungen Aznars: „Die Spanier haben ein Recht darauf, dass die Regierung sie vom Krieg fernhält.“ Er mahnt: „Bush ist ein gefährlicher Freund, eine klägliche Gestalt in der modernen Welt.“ Aznar stellt sich derweil taub, gibt Durchhalteparolen aus, warnt vor Vaterlandsverrat und beschuldigt die Opposition, diese beispiellose Protestwelle inszeniert zu haben.

Ralph Schulze[Madrid]

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