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Politik: Freundlich, ehrlich, abgeschlagen

Wie Gerhard Bökel in Hessen ein gutes SPD-Ergebnis erzielen will

Stehend klatscht das Publikum zur Musik „Visionen“. Die Scheinwerfer richten sich auf Gerhard Bökel, der den mäßig besetzten Saal betritt. Als künftigen Ministerpräsidenten begrüßt ihn der SPD-Ortsvorsitzende. Tapfer stellt der 56-jährige Landes- und Fraktionschef der SPD sein „Regierungsprogramm“ vor: eine Vorschule für Fünfjährige, „weil Bildung früher beginnen muss“, 500 Ganztagsschulen, „weil Frauen und Männer heute Beruf und Kinder verbinden wollen“, ein Aktionsprogramm „Jugendarbeitslosigkeit Null“. Die Umfragewerte deuten nicht darauf hin, dass er es umsetzen kann: Die Union liegt deutlich vor Bökels SPD, dem Amtsinhaber Roland Koch winkt die absolute Mehrheit.

Gerhard Bökel hat seine Kandidatur lange vorbereitet. Fleißig hat er vor drei Jahren die SPD-Ortsvereine abgeklappert. Als in Hessen-Süd das Erbe der „roten Heidi“, der jetzigen Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul, zu vergeben war, hat Bökel, der ehemalige Innenminister, den Favoriten für diesen SPD-Bezirksvorsitz geschlagen. Später hob ihn, gegen den Willen des vormaligen Landeschefs Hans Eichel, auch die Landespartei auf den Schild. Dass er ehrlicher und sympathischer wirke als Koch, bescheinigen ihm die Demoskopen. Bökel wollte an Kochs Verstrickung in die CDU-Schwarzgeldaffäre erinnern, als er auf Großplakaten mit der Botschaft „Mehr Ehrlichkeit“ warb. Doch als führungsstärker und kompetenter wird der Ministerpräsident eingeschätzt.

Nach der Bundestagswahl vom 22. September wähnten sich Hessens Sozialdemokraten einem Machtwechsel in Wiesbaden nahe, weil sie beim Landesergebnis zusammen mit den Grünen deutlich vor Union und FDP lagen. Doch nach dem misslungenen Start der rot-grünen Koalition in Berlin droht nun ein schlimmeres Desaster als vor vier Jahren. Selbst ein Scheitern der FDP würde Bökel nicht zum Sieg verhelfen, so schlecht wird die Stimmung an der ohnehin schwer zu mobilisierenden Basis eingeschätzt.

Und dennoch ackert Gerhard Bökel und reist als „ehrliche Haut“ durch die Provinz. Zweimal erntete Bökel in Darmstadt stehenden Beifall: Als er Koch wegen dessen „unsäglichem Judenstern-Vergleich“ tadelt, und als er ein Nein im Sicherheitsrat zu einem möglichen Irakkrieg fordert. Er werde kein Ministerpräsident sein, bei dem jüdische Mitbürger aus Protest den Saal verlassen, ruft er in den Saal und: „Wir sind keine Befehlsempfänger des George W. Bush!" Seine Zuversicht erklärt Bökel mit einer Niederlage. Vor vier Jahren hätten alle bis kurz vor der Wahl fest an einen Sieg von Rot-Grün in Hessen geglaubt. „Diese Wahl ist erst am 2. Februar um 18 Uhr entschieden", fügt Bökel freundlich bestimmt hinzu.

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