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Liu Xia überbrachte ihrem Mann die Nachricht im Gefängnis.

© dpa

Friedensnobelpreis: Zensur nach der Ehrung

China ignoriert seinen Friedensnobelpreisträger. Die meisten Chinesen dürften gar nicht wissen, dass einer ihrer Landsleute die Auszeichnung erhalten hat.

Nimmt man die Zahl der Polizeiwagen vor dem norwegischen Pavillon auf dem Expogelände in Schanghai als Indikator, scheint sich das Verhältnis zwischen China und Norwegen wieder zu bessern. Drei Polizeiwagen waren am Samstagmittag zum Pavillon beordert worden, offenbar um anti-norwegische Demonstranten unter Kontrolle zu halten, die gegen die Vergabe des Friedensnobelpreises an den inhaftierten chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo protestieren könnten. „Doch es ist alles normal geblieben“, berichtet Philip Lote, Kommunikationsdirektor des norwegischen Expo-Beitrages. Später parkten noch zwei Polizeiwagen vor dem Pavillon, am Sonntag war es nur noch einer.

Die meisten Chinesen dürften gar nicht wissen, dass einer ihrer Landsleute in Oslo den Friedensnobelpreis erhalten hat. Oder sie kennen nur die offizielle staatliche Xinhua-Meldung, wonach China über die Vergabe an einen „Kriminellen“ empört ist. Wer mehr erfahren will, muss die Internet-Zensur technisch umgehen und zum Beispiel die Internetseite des Hongkonger Informationszentrums für Menschenrechte und Demokratie aufrufen. Dort wurde berichtet, dass der in Jinzhou in der Provinz Liaoning inhaftierte Liu Xiaobo am Sonntag von seiner Frau Liu Xia über die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis 2010 informiert wurde. Und die US-Gruppe „Freedom Now“ berichtete, der 54-Jährige sei daraufhin in Tränen ausgebrochen und habe erklärt, die Verleihung sei für „die Märtyrer vom Tiananmen“.

Nach Angaben des Hongkonger Informationszentrums ist Liu Xia vor dem Besuch bei ihrem Mann das Telefon abgenommen worden. Ihr sei zudem mitgeteilt worden, dass sie festgenommen werde. Nach ihrer Rückkehr von der Reise in das 450 Kilometer von Peking entfernte Jinzhou habe man ihr dann gesagt, dass sie ihre Wohnung nicht mehr verlassen dürfe. Zuvor hatte die Familie befürchtet, Liu Xia sei verschwunden.

Einige Journalisten, die am Samstag das Gefängnis in Jinzhou filmen wollten, sind von der Polizei abgeführt und verhört worden. Wie die „South China Morning Post“ berichtet, sind auch Fahrzeuge mit auswärtigen Nummernschildern gestoppt und von der Polizei durchsucht worden. Der Literaturprofessor, Regierungskritiker und nunmehrige Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo sitzt dort eine elfjährige Haftstrafe ab, die er im Dezember 2009 wegen „Aufruf zum Umsturz“ nach der Veröffentlichung des Menschenrechtsmanifests Charta 08 erhalten hatte. Seine Rechtsanwaltskanzlei erklärte der „South China Morning Post“, dass sie gegenwärtig nicht die Absicht habe, seine Entlassung zu beantragen. Das hatten zahlreiche Politiker und Menschenrechtsorganisationen gefordert. (mit AFP/rtr)

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