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Bundespräsident Joachim Gauck.

© imago/Michael Westermann

Frühere Sektensiedlung in Chile: Joachim Gauck empfängt Ex-Mitglieder der Colonia Dignidad

Bei einem Empfang für Bundespräsident Gauck in Chile tauchen auch zwei Mitverantwortliche der Colonia Dignidad auf. Jetzt kommt heraus: Die Einladung war kein protokollarisches Versehen, sondern Absicht.

Die Einladung von zwei Mitverantwortlichen der früheren Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile zu einem Empfang für Bundespräsident Joachim Gauck sorgt weiter für Irritationen. Nach Angaben des Auswärtigen Amts wurden die beiden Männer von der deutschen Botschaft in Santiago de Chile nicht etwa durch einen protokollarischen Fehler, sondern durchaus mit Absicht eingeladen. Die Colonia Dignidad - gegründet von dem deutschen Auswanderer Paul Schäfer - war ein befestigtes Lager mit sektenähnlichen Strukturen.

Während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) wurde die Kolonie zu einem Folterzentrum der Geheimpolizei. Später wurde sie in „Villa Baviera“ (Bayerisches Dorf) umbenannt. Die Einladung sei nach einem „Abwägungsprozess“ der Botschaft erfolgt, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion, die am Dienstag bekanntwurde. Der Linke-Abgeordnete Jan Korte warf der Bundesregierung daraufhin vor, „schwerste Straftaten“ zu verharmlosen. „Die „Abwägungen“ des AA sind ein Schlag ins Gesicht der Opfer.“ Unter den Teilnehmern des Empfangs während Gaucks Chile-Reise Mitte Juli waren auch der ehemalige Chef der juristischen Abteilung der Siedlung, Hans Schreiber, sowie der ehemalige Sicherheitsmann Reinhard Zeitner.

Zeitner war wegen Kindesmissbrauchs zu drei Jahren Haft verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Auftauchen der beiden Männer in der Residenz von Botschafter Rolf Schulze sorgte für einen Eklat. In der Antwort heißt es nun: „Die Einladung (..) erfolgte nach einem Abwägungsprozess der Botschaft Santiago, der Vergangenheit und gegenwärtige Positionierungen der betreffenden Personen einbezogen hat. Diese Abwägung trug dem Umstand Rechnung, dass Grenzen zwischen Tätern und Opfern in einem geschlossenen verbrecherischen System wie der Colonia Dignidad nicht mit letzter Trennschärfe zu ziehen sind: Viele frühere Bewohner der Colonia wurden zur Täterschaft gezwungen, waren aber selbst Opfer.“

Das Bundespräsidialamt hatte die Einladung bereits bedauert. Ursprünglich war vermutet worden, dass es sich dabei um einen protokollarischen Fehler handelte. Zeitner ist heute in führender Position in der „Villa Baviera“ tätig, die auf dem Gelände der ehemaligen Sekte mit bayrischer Folklore Touristen anlockt. Ebenso wie Schreiber kam er als Kind in die Siedlung. (dpa)

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