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Wolfgang Berghofer vor russischem Ehrengeschenk in seinem Berliner Büro am Märkischen Ufer in Mitte

© Edition Ost

Früherer Dresdner Oberbürgermeister Berghofer: "Wir sollten Putin nicht ständig demütigen"

Wladimir Putin schätzt die Deutschen, sagt der frühere Dresdner SED-Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer. Und lobt den russischen Präsidenten als den bisher liberalsten Herrscher in Moskau überhaupt.

Von Matthias Meisner

Eigentlich könnte die Welt ganz schön sein - wenn nur die Politiker nicht wären. Glaubt jedenfalls Wolfgang Berghofer, der selbst Politiker war, in der DDR. Viele Jahre Funktionär im Zentralrat der Jugendorganisation FDJ, danach von 1986 bis 1990 für die SED Oberbürgermeister von Dresden, also auch in den heißen Tagen der friedlichen Revolution. Kurze Zeit noch blieb er nach dem Herbst 1989 in der PDS, war sogar ein paar Wochen deren stellvertretender Vorsitzender. Er verließ die Partei, nachdem der Wechsel von ihm und Gesinnungsgenossen zur SPD gescheitert war, die für sich reklamierten, den reformorientierten Flügel der SED-Nachfolgepartei zu repräsentieren.

Kurz vor dem 25. Jahrestag des Mauerfalls blickt der 71-jährige Zeitzeuge nun zurück auf diese Zeit - in seinem Buch "Keine Figur im Schachspiel - wie ich die ,Wende' erlebte". Viele Episoden aus diesen Wochen in Dresden haben er und auch andere zuvor beschrieben. Bemerkenswert, gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen über das Verhältnis Deutschlands zu Russlands, ist eine längere Passage, in der es um Wladimir Putin geht. Berghofer kennt den heutigen russischen Präsidenten aus Dresden, wo Putin Repräsentant des KGB war.

Demonstration im Dezember 1989 in Dresden
Demonstration im Dezember 1989 in Dresden

© dpa

Berghofer ist bemüht, sein Verhältnis zu Putin aus dieser Zeit als nicht eng wirken zu lassen. Selbstverständlich, man kannte sich, schließlich habe man sich ja mit den Russen "pausenlos bei irgendwelchen Siegesfeiern" getroffen, "8. Mai, 9. Mai, am Tag der Oktoberrevolution". Und, wie er weiter sagt, "Wodka getrunken und über Gott und die Welt geschwätzt". Putin war dann meist dabei, er residierte in einer Villa am Weißen Hirsch nicht weit von der Bezirksverwaltung des MfS. Aber, so Berghofer: "Ich habe mit dem keine Vier-Augen-Gespräche geführt über den KGB oder seine Sicht der Dinge." Letztlich sei Putin damals "ein kleiner Major" gewesen, und in die Kontakte zwischen ihm als Oberbürgermeister und Putin "viel hineininterpretiert" worden.

Berghofer berät Unternehmen beim Russland-Geschäft

Berghofer wechselte noch vor dem Ende der DDR in die "westdeutsch-kapitalistische Wirtschaft", wie sein Verlag sie nennt, berät unter anderem deutsche Unternehmen beim Russland-Geschäft. Was ihm nach all den Jahren empört, ist die Haltung von Politik und öffentlicher Meinung zu Putin, obwohl doch gerade die Ostdeutschen dies anders erwarten würden.

Wladimir Putin bei einem Dresden-Besuch 2006. "Ein kleiner KGB-Major"
Wladimir Putin bei einem Dresden-Besuch 2006. "Ein kleiner KGB-Major"

© dpa

"Klar erkennbar" sei der heutige Präsident "der bisher modernste, liberalste und moderateste russische Herrscher überhaupt", schreibt Berghofer im Buch. Man könne ihn öffentlichen kritisieren, er kenne den Westen und sei in vielen Bereichen westlich orientiert.

Putin, der zehn Jahre in Deutschland verbrachte, so erklärt Berghofer weiter, "schätzt unser Volk, schätzt unsere Leistungsfähigkeit, schätzt unsere Kultur und wäre gern gleichberechtigter Partner". Er aber werde "absolut verteufelt", obwohl Europa doch an instabilen Verhältnissen in Russland kein Interesse haben könne. Auf Nachfrage spitzt Berghofer weiter zu - und sagt: "Wir haben ihn lange hofiert. Doch von dem Moment an, an dem sich das Land wieder erhebt, erstarkt, wo Ordnung einzieht, fangen wir an, ihn ständig zu demütigen."

SED-Politiker Wolfgang Berghofer (rechts), SPD-Politiker Henning Voscherau 1989 in Dresden
SED-Politiker Wolfgang Berghofer (rechts), SPD-Politiker Henning Voscherau 1989 in Dresden

© Rolf Ambor/Edition Ost

Berghofer ist im Herbst 1989 viel umworben worden von West-Politikern. Zeitgleich mit Hans Modrow, der damals SED-Bezirkschef in Dresden war, suchte er nach Spielräumen. Allerdings waren beide nicht enge Partner oder gar Freunde, wie früher spekuliert wurde. Es habe sich um ein "mehr oder intensives Zweckbündnis" gehandelt, sagt er. Die West-Parteien interessierten sich zu jener Zeit sehr für die Entwicklung in Dresden, namentlich Henning Voscherau, Klaus Dohnanyi, später auch Egon Bahr. Der damalige baden-württembergische CDU-Ministerpräsident Lothar Späth habe ihn als Ministerpräsident für Sachsen ins Gespräch bringen wollen - also für jenen Posten, den dann Kurt Biedenkopf bekam. Alles Geschichte. "Ich bin froh, dass ich keiner Parteidisziplin mehr unterliege", sagt Berghofer.

Das Buch von Wolfgang Berghofer "Keine Figur im Schachspiel" ist erschienen im Verlag Edition Ost, 256 Seiten, 14,99 Euro.

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