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Politik: Fuchs im Bau

Struck bleibt in Kuwait bei der offiziellen Linie: Deutschland wird sich an einem Krieg gegen Bagdad nicht beteiligen

Von Robert Birnbaum

Der Stahl des Anstoßes spielt übungshalber Verkehrsunfall. Ein 20-Tonner der Bundeswehr tut so, als sei er ein Chemie-Tanklaster in der kuwaitischen Wüste, und zwei ABC-Spürfüchse tun so, als sollten sie rauskriegen, welche Ladung aus dem Havaristen ausläuft. Langsam rollen die beiden Radpanzer rückwärts an den Lkw heran. Minuten später macht der Hauptmann dem Minister Meldung: Ammoniumnitrit, ein giftiges Vorprodukt der Chemieindustrie. Eine schöne Übung, die sich das deutsche ABC-Abwehrkontingent keine 100 Kilometer südlich der irakischen Grenze ausgedacht hat. Politisch nicht kontaminiert sozusagen. Nur mit der Wirklichkeit hat sie nichts zu tun.

Die Erwartungen der Kuwaiter, sagt der deutsche Botschafter Werner Daum, „liegen auf der Hand. Die Leute haben Angst, dass Saddam Hussein sie mit seinen verbliebenen Chemiewaffen angreift, und sie erwarten, dass wir sie schützen." Der Botschafter guckt den Gast an, als er das sagt. Aber Peter Struck sagt nichts. Kurz nach der Ankunft hat Struck einer Reporterin den gusseisernen Satz ins Mikrofon gesprochen: „Die deutschen Truppen sind hier, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen.“ Ein Verteidigungsminister, der die deutschen Truppen rund um das arabische Meer besucht, beschränkt sich derzeit besser aufs Amtliche.

Doch man müsste tatsächlich Augen und Ohren fest schließen, wenn man in drei Tagen zwischen Dschibuti, Mombasa und der Wüste von Kuwait nicht lauter Ausschnitte eines Bildes erkennen wollte. Die Deutschen vor Ort sind allerdings regierungsamtlich derart zum Weggucken verdonnert, dass der Presseoffizier der deutschen Marineeinheiten in Dschibuti so tut, als ob er das Wort „Amerikaner“ noch nie gehört hätte. Dabei kann ihm beim Anflug auf den Flughafen die kilometerlange Landebahn mitten in der Steppe gar nicht entgangen sein, und auch die Zeltstadt muss er gesehen haben.

Aber nicht nur am Horn von Afrika tut sich was. Auf den Meeren ringsum ist noch mehr los. Zwei deutsche Fregatten und zwei Versorgungsboote überwachen und begleiten den Seeverkehr im Golf von Aden. 21 000 Schiffe nehmen Jahr für Jahr diese Route, die weiter im Norden durch den Suezkanal ins Mittelmeer führt. Fast die gesamte saudi-arabische Rohöl-Ausfuhr per Tanker läuft durch das Nadelöhr hinaus in den indischen Ozean, die ostafrikanische Küste entlang und um das Kap der Guten Hoffnung nach Europa und Amerika. Zufall, dass diese Routen mit dem Überwachungsgebiet zusammenfallen, das vom kenianischen Mombasa aus drei deutsche See-Fernaufklärer Tag für Tag überfliegen? Es ist bestimmt kein Zufall, sondern dringliche Bitte der USA, dass ein Verband der ständigen Nato-Flotte im östlichen Mittelmeer dieser Tage Kurs auf Gibraltar nimmt – noch so ein Nadelöhr, das Tanker und Frachter dicht unter der Küste passieren.

Rund um das dritte Nadelöhr des nahöstlichen Ölverkehrs schließlich, die Straße von Hormus am Ausgang zum Persischen Golf, herrscht ohnehin Hochbetrieb zu Wasser, zu Lande und in der Luft. 15 000 Amerikaner sind offiziell dort stationiert. Die Hälfte der bekannten Erdöllager der Welt finden sich hier: 25 Prozent kontrollieren die Saudis, Irak ist mit 11 Prozent die Nummer zwei, dann folgt schon Kuwait. „Die strategische Bedeutung dieser Region kann gar nicht überschätzt werden“, sagt Botschafter Daum.

Das ist das Bild im Großen. Im Kleinen ist das Camp Doha, in dem die deutschen Spürfuchsbesatzungen untergebracht sind, für Presse strikt gesperrt. „Da sind Amerikaner drin, die arbeiten für die Operation „Enduring Freedom“, und andere, die arbeiten für etwas, das noch gar keinen Namen hat", sagt ein deutscher Soldat. „Enduring Freedom“, zur Erinnerung, ist die US-geführte Operation gegen den internationalen Terrorismus. Dass auf der Projektorfolie, anhand derer der deutsche Kontingentführer Wolfgang Wiesen den Auftrag bildlich darstellt, unter dem Bild des Oberterroristen Osama bin Laden ein Foto Saddam Husseins prangt, passt nicht ganz dazu. „Er ist natürlich bei der Achse des Bösen mit dabei", versucht der Oberstleutnant zu erklären. Saddam, der irgendwelche Terroristen mit Chemiewaffen ausstattet – das ist so das gängige Szenario, mit dem in Berlin die hartnäckige Existenz der elf ABC-Panzer in Kuwait politisch begründet wird. Nur merkwürdig, dass hier in der Region niemand an solche Szenarien denkt. Das Szenario sieht viel banaler und handfester aus. Es ist der US-Angriff auf den Irak. Deshalb stehen im Camp Doha ja keineswegs nur sechs deutsche ABC-Füchse mit derzeit 58 Mann Besatzung verloren in der Wüste herum. Die Deutschen sind ein wichtiger Teil einer ABC-Abwehreinheit von zusammen 4000 Mann. Und deshalb ist hier weit und breit niemand zu finden, der sich vorstellen kann, dass die wackere rot-grüne Bundesregierung ihre acht Füchse zurückkommandiert, wenn der Krieg losgeht.

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