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Altersarmut

© ddp

Fünf Jahre Hartz: Erst arbeitslos – dann alt und arm?

Laut einer Studie verschärft Hartz IV das Armutsrisiko im Ruhestand. Sozialverbände kritisieren die Pflicht zur Frühverrentung mit Abschlägen.

Von Michael Schmidt

Sozialverbände und Gewerkschaften warnen vor einem massiven Anstieg der Altersarmut – und die jüngste Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit legt nun den Schluss nahe, Hartz IV lasse die Gefahr noch größer werden: „Mit der Dauer des Arbeitslosengeld-II-Bezuges wächst das Armutsrisiko im Ruhestand“, heißt es in der IAB-Studie.

Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts sind in Deutschland 15 Prozent der Rentner armutsgefährdet, sie beziehen weniger als 60 Prozent des mittleren Renteneinkommens in Höhe von derzeit 856 Euro im Monat. Herbert Rische, Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund beteuert zwar, die gesetzliche Rente werde auch künftig die Mehrzahl der Menschen in Deutschland vor Altersarmut schützen. Doch auch er räumt ein, dass die Gefahr von Altersarmut immer dann besteht, wenn das Erwerbsleben unterbrochen wird, wegen Arbeitslosigkeit zum Beispiel.

Neben dem Wandel der Erwerbsbiografien – Patchworklebensläufe mit häufig wechselnden Beschäftigungsverhältnissen treten zunehmend an die Stelle einer stetigen Erwerbsbiografie – wirkt sich, wie die Autorin der IAB-Studie, Christina Wübbeke, nachweist, das geänderte Sozialrecht auf die Alterssicherung aus. Hierzu gehöre das gesunkene Rentenniveau ebenso wie die Tatsache, dass das Sozialrecht die Folgen von Arbeitslosigkeit für die Alterssicherung „heute weniger stark ausgleicht als früher“. Will sagen: Wer lange arbeitslos ist, hat zudem immense Einbußen auch bei der Rente hinzunehmen. So wurde die Anspruchsdauer beim ALG I verkürzt, dessen Bezug in der Regel mit relativ hohen Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung verbunden ist, und die Arbeitslosenhilfe wurde durch das ALG II ersetzt, auf dessen Basis nur minimale Beiträge gezahlt werden: Bis Ende 2006 hat ein volles Jahr ALG II die monatliche Rentenanwartschaft um ganze 4,28 Euro erhöht, rechnet Wübbeke vor – seit Anfang des Jahres seien es sogar nur noch 2,19 Euro. Für eine zusätzliche private Alterssicherung aber fehlt es häufig schlicht am Geld: Steigende Miet-, Energie- und Lebensmittelpreise, die Mehrwertsteueranhebung zu Jahresbeginn und die geplante Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrags zum 1. Juli 2008 treffen Rentner nach Angaben des Sozialverbands VdK besonders hart.

Und jetzt macht auch noch das böse Wort von der „Zwangsverrentung“ die Runde. Derzeit können Frauen und Schwerbehinderte mit frühestens 60 Jahren in Rente gehen, Männer in der Regel erst mit 63 – vorausgesetzt, sie können 35 Rentenversicherungsjahre nachweisen und sind bereit, entsprechende Abschläge hinzunehmen: nämlich 0,3 Prozent für jeden Monat, den sie vor Erreichen der regulären Altersgrenze aus dem Erwerbsleben ausscheiden . Hintergrund für die nun entflammte Debatte über die „Frühverrentungspflicht“ ist das Auslaufen der sogenannten 58er-Regelung zum Ende dieses Jahres. Sie schützt ALG-II-Bezieher bisher davor, zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine Rente mit Abschlägen beantragen zu müssen. Vom 1. Januar 2008 an aber können Arbeitsagenturen, wie die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion bestätigte, ALG-II-Empfänger verpflichten, vorzeitig in Rente zu gehen – auch wenn dies eine empfindliche Rentenkürzung bedeuten kann. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales begründet das mit dem „Nachranggrundsatz“: Arbeitsuchende seien „zur Ausschöpfung aller gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit verpflichtet“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linken. Das könne nach Auslaufen der 58er-Regelung eben auch die Rente sein. Von einer „Zwangsverrentung“ könne dennoch keine Rede sein: Es werde „in jedem Einzelfall“ geprüft, ob ein Rentenantrag gestellt werden könne, und der Betroffene werde dazu angehört.

Zudem sei das Motiv, die 58er-Regelung auslaufen zu lassen, ein ganz anderes, geradezu gegenteiliges, wie eine Ministeriumssprecherin herausstrich: Es gehe vielmehr generell darum, „erwerbsfähige Arbeitsuchende schnellstmöglich wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern.“ Die 58er Regelung stehe dem Ziel entgegen, die Menschen in Erwerbstätigkeit zu halten.

Diese Strategie könne nur erfolgreich sein, gibt IAB-Autorin Wübbeke zu Bedenken, „wenn die intendierte Reintegration künftig besser gelingt als bisher“. In das gleiche Horn stößt VdK-Präsident Walter Hirrlinger. Die Chancen für ältere Langzeitarbeitslose, in das Erwerbsleben zurückzukehren, seien Regierungsmaßnahmen wie der „Initiative 50 plus“ zum Trotz nach wie vor schlecht. Wie zuvor bereits der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert auch Hirrlinger die Bundesregierung deshalb auf, „im Rahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik dafür zu sorgen, dass verstärkt Ältere eingestellt werden.“

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