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Dresden 2009: Ein Plakat vor dem Rathaus erinnert unmittelbar nach dem Mord an Marwa el-Sherbini.

© dpa

Fünf Jahre nach dem Mord: Gedenken an Marwa el-Sherbini

Vor fünf Jahren wurde in Dresden Marwa el-Sherbini aus rassistischem Hass ermordet. Der Täter fühlte sich durch ihr Kopftuch provoziert.

Dresden erinnert am heutigen Dienstag an den 5. Jahrestag des Todes von Marwa el-Sherbini. Sie gilt als erstes Opfer eines klar islamophob motivierten Mordes in Deutschland. Im Dresdner Landgericht, wo sie starb, wird in Anwesenheit von Sachsens Justizminister Jürgen Martens und Bürgermeisterin Helma Orosz am frühen Nachmittag ein stilles Gedenken stattfinden. Für 17 Uhr hat der Dresdner Ausländerrat zur Erinnerung vor dem Gerichtsgebäude eingeladen. Dabei sollen auch die Namen der übrigen Todesopfer rassistischer Gewalt seit der Einheit 1990 verlesen werden – nach Zählung des Rats bisher 184.

Wegen des Kopftuchs als Terroristin beschimpft

Die 31-jährige Ägypterin wurde am 1. Juli 2009 erstochen, nachdem sie im Dresdner Landgericht in einem Beleidigungsprozess ausgesagt hatte. Ihr Mörder, der damals 28-jährige Russlanddeutsche Alexander Wiens, hatte el-Sherbini, die ein Kopftuch trug, auf einem Spielplatz als „Islamistin“ und „Terroristin“ beschimpft, als sie ihn bat, eine Schaukel für ihren kleinen Sohn freizugeben. El-Sherbini, deren Ehemann am Dresdner Max-Planck-Institut promovierte, hatte Pharmakologie studiert und kurz zuvor Arbeit in einer Dresdner Apotheke gefunden.

Schuss auf den Ehemann, der sie retten wollte

Die Tat löste auch wegen ihrer Begleitumstände Entsetzen aus: Wiens, der sich noch im Gerichtssaal auf die im dritten Monat schwangere el-Sherbini stürzte und ihr 16 Messerstiche beibrachte, hatte bereits in einem Brief an das Gericht gewalttätigen Hass auf Muslime erkennen lassen. Dennoch wurde er nicht kontrolliert und konnte ein langes Messer, in den Gerichtssaal schmuggeln. El-Sherbinis Ehemann Elwy Okaz erlitt beim Versuch, seiner Frau zur Hilfe zu kommen, ebenfalls 16 Messerstiche, überlebte aber seine lebensgefährlichen Verletzungen – die übrigen Anwesenden hatten sich in einem Nebenraum des Gerichtssaals in Sicherheit gebracht. Ein Polizist, der schließlich zur Hilfe gerufen wurde, hielt aus ungeklärten Gründen den Ehemann für den Täter und schoss auf Okaz.

Muslime: Hass bleibt weiter unerkannt

Augenzeuge der Tat wurde el-Sherbinis und Okaz' damals dreijähriger Sohn. Das Kind und sein Vater leben inzwischen in Kanada. Alexander Wiens wurde im November 2009 zu lebenslänglich verurteilt. Weil die besondere Schwere seiner Schuld festgestellt wurde, ist ausgeschlossen, dass er bereits nach 15 Jahren entlassen werden kann.
Kritik gab es in den folgenden Jahren am Umgang mit dem Fall. Zum Jahrestag des Mordes verweisen muslimische Organisationen darauf, dass das Problem islamophober Gewalt weiterhin unsichtbar bleibe, weil es nicht einmal in Polizeistatistiken auftauche. In Dresden scheiterte vor zwei Jahren zudem die Initiative mehrerer Dresdner Professoren, eine Straße nach Marwa el-Sherbini zu benennen.

Doch noch eine Straße mit ihrem Namen?

Das Projekt wird dem Stadtrat allerdings demnächst erneut vorliegen. Sein Initiator, Professor Anthony Hyman vom Dresdner Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, hofft nach wie vor auf einen Erfolg. Dass die Stadt und das sächsische Wissenschaftsministerium inzwischen ein Stipendium eingerichtet haben, das el-Sherbinis Namen trägt, findet er "klasse", sagt Hyman, in dessen Abteilung el-Sherbinis Ehemann früher arbeitete. „Die Erinnerung sollte aber auch im Stadtbild stattfinden.“

Der Brite Hyman, der sich seit Jahren im Dresdner Ausländerbeirat engagiert, sieht inzwischen Fortschritte im Umgang mit Vielfalt. Sachsen sei dabei anzuerkennen, dass es ein Einwanderungsland sei: „Die Aussage des sächsischen Inenministers, dass das Land ohne Ausländer nicht weiterkomme, war sehr wichtig. Und für Deutschland war das Ja zur doppelten Staatsbürgerschaft ein enormer Schritt nach vorn.“

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