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AfD und FDP scheiterten an der Fünfprozenthürde.

© picture-alliance/ dpa

Fünfprozenthürde: Ausschluss von Millionen

Die Fünfprozenthürde wird wieder zum Thema. Insgesamt fanden die Zweistimmen von sieben Millionen Wählern keine Berücksichtigung. Die verfassungsrechtlichen Bedenken wachsen.

Wenn die Linken-Wahlrechtsexpertin Halina Wawzyniak sich mit der Meinung ihrer Partei vor der Wahl durchgesetzt hätte, dann hätte der Bundestag wohl eine rechte, keine linke Mehrheit. Denn dann wären zumindest FDP und AfD im Parlament. Die Linke ist schon länger für die Abschaffung der Fünfprozenthürde; auch die Vorgängerpartei PDS war 2002 daran gescheitert. „Die Fünfprozenthürde muss endlich abgeschafft werden“, fordert Wawzyniak. „Wahlen sollen die gesellschaftliche Stimmung widerspiegeln. Durch undemokratische Sperrklauseln wird gerade dies verhindert“, sagt die Berliner Abgeordnete.

In die Diskussion kommt durch das Ergebnis der Bundestagswahl vom Sonntag wieder Schwung. 15,8 Prozent der Zweitstimmen haben keine Vertretung im Bundestag nach sich gezogen – erheblich mehr als sonst. Nur 1949 und 1953 waren es mehr, damals war das Parteiensystem noch sehr vielfältig. Am vergangenen Sonntag landeten neben der FDP (4,8 Prozent) und der Alternative für Deutschland (4,7 Prozent) auch die Piraten (2,2 Prozent) in dem Bereich, der ohne Hürde noch zu zweistelligen Mandatszahlen führen würde. „Fast sieben Millionen Stimmen sind nicht berücksichtigt worden – damit wird der Willen viel zu vieler Wählerinnen und Wähler missachtet“, meint Wawzyniak. Auch der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagt, die Hürde sei „demokratierechtlich bedenklich“. Er hält eine Senkung auf zwei oder drei Prozent für denkbar. In den großen Parteien ist das dagegen kein Thema.

Wohl aber unter Wahlexperten und Staatsrechtlern. Denn verfassungsrechtlich gilt die Fünfprozenthürde als Eingriff in die Gleichheit der Wahl, wonach jede Stimme bei der Umsetzung in Mandate prinzipiell gleich zu berücksichtigen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dieser Eingriff zwar gerechtfertigt. Die Richter argumentieren dabei mit der Funktionsfähigkeit des Parlaments und drohender Parteienzersplitterung, dem Schreckgespenst aus der Weimarer Zeit. In einem Urteil zur ersten gesamtdeutschen Wahl hatte das Gericht allerdings festgestellt, dass die Sperrklausel nicht für die Ewigkeit gelte. 2011 kippte Karlsruhe die deutsche Fünfprozenthürde für die Europawahlen, freilich mit der Begründung, das EU-Parlament sei in seinen Befugnissen nicht mit dem Bundestag vergleichbar, also dürfe man die Anforderungen an seine Funktionsfähigkeit nicht überspannen. Auch in diesem Urteil betonten die Richter aber, der Gesetzgeber müsse Sperrklauseln bei Wahlen neu beurteilen, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen ändern.

Unter Verfassungsrechtlern gilt es vor allem als fragwürdig, dass sich die „großen“ Parteien die „kleinen“ auf diese Weise dauerhaft vom Hals halten könnten. Parteigründer würden entmutigt, die Parteienlandschaft zementiert, die Offenheit des politischen Prozesses gefährdet.

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