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Politik: Für den Frieden rüsten

DIE ZUKUNFT DES IRAK

Von Clemens Wergin

Es geht um mehr oder weniger Vereinte Nationen, um neue Verträge zum Wiederaufbau und alte Verträge fürs Öl. Um die Rolle Europas wie die der Nato. Und man wird den Eindruck nicht los, dass die Frage, was mit dem Irak nach dem Krieg passiert, im Westen vor allem unter dem Aspekt der Selbstfindung und nationaler Interessen diskutiert wird. Als hätten die Iraker keine anderen Probleme …

Im Krieg muss man sich für den Frieden rüsten. Deshalb wird es Zeit, dass die Diskussion über die Nachkriegsordnung im Irak wegführt von nationalen Eitel und transatlantischen Empfindlichkeiten. Denn im Kern geht es ja nicht zuerst um die Zukunft der Nato, der EU oder der UN. Auf dem Spiel steht das Schicksal des Irak. Genauer: die Zukunft von 24 Millionen Irakern – und die Zukunft einer Region, deren Entwicklung seit mehr als 20 Jahren so blockiert ist wie die keines anderen Kulturraums der Welt.

Die Frage lautet also nicht, was Europa Amerika geben muss, um am Nachkriegsirak mitverdienen zu können, noch, was die Amerikaner den Europäern anbieten sollten, damit die einen Teil der Aufbaukosten übernehmen. Die erste Frage muss sein: Was können wir gemeinsam tun, damit der Irak eine positive Entwicklung nimmt.

Der Irak braucht nach dem Krieg vor allem Stabilität und Legitimität. Zunächst müssen alle Landesteile befriedet, die Funktionäre der Baath-Partei entmachtet und blutige Abrechnungen zwischen den Gesellschaftsgruppen verhindert werden. Das können die Amerikaner und Briten am besten. Physische Kontrolle über das irakische Territorium ist aber nur die Basis, auf der eine Nachkriegsordnung entstehen kann. Alles Weitere ist eine Frage des Interessenausgleichs in der irakischen Gesellschaft – und der Psychologie. Denn die Legitimität einer neuen irakischen Führung erwächst nicht aus militärischer Macht. Sie entsteht im Kopf der Regierten.

Was die Akzeptanz einer demokratischeren Nachkriegsordnung betrifft, sind die Alliierten schlecht gestartet. Die Menschen in der Region sehen Amerikaner und Briten als Invasoren und neue Kolonialherren. Selbst wenn viele Iraker das anders sehen, Beifall hat es für die Befreier bisher wenig gegeben. Um dem Eindruck der Kolonialisierung entgegenzuwirken, ist beides nötig: eine sichtbare Mitwirkung von Irakern an einer Übergangsverwaltung – und die Beteiligung der internationalen Gemeinschaft.

Die Trümmer der Zerstörung wegzuräumen, mag relativ einfach sein. Die Folgen von Jahrzehnten der Diktatur zu beheben, ist weitaus schwieriger. Damit der Zugriff der Baath-Partei auf die Gesellschaft gebrochen werden kann, wird auch in den nächsten Monaten eine robuste Truppe notwendig sein. Aus symbolischen Gründen sollten UN-Blauhelme dabei sein – möglichst auch aus muslimischen Staaten. Damit klar wird: Es handelt sich um eine zeitlich begrenzte Besatzung. Um militärische Macht, die den Irakern zur Selbstermächtigung verhilft. Selbst wer vermeiden möchte, den Krieg nachträglich zu rechtfertigen, muss ein Interesse daran haben, wenigstens den Frieden mit internationaler Legitimität auszustatten – und ihn zu sichern.

Die arabischen Kommentatoren haben ihre Federn schon gespitzt, um jede Übergangsregierung im Irak als amerikanisches Marionetten-Regime zu diskreditieren. Weil ihre Herrscher Angst davor haben, dass das irakische Demokratie-Experiment gelingen könnte. Und weil der Hass auf die USA groß ist. Vor dem Krieg war oft zu hören, es sei schon richtig, Saddam Hussein zu entmachten, aber die Amerikaner seien die Falschen, es zu tun. Auch deshalb müssen die UN, muss Europa sich am Aufbau einer neuen Ordnung beteiligen. Schließlich hat das harte Nein aus Frankreich und Deutschland, das unterstützt wurde durch Friedensdemonstrationen, Eindruck gemacht in der arabischen Welt. Die daraus erwachsene Glaubwürdigkeit kann Europa einbringen, damit einem demokratischen Irak nicht der Ruf nachhängt, bloß ein imperialistisches Projekt der Amerikaner zu sein.

Wer jetzt die UN ganz raushalten will oder sie mit Machtspielen lähmt, gefährdet einen Neuanfang im Irak. Und verbaut der Region einen möglichen Ausweg aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit.

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