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Politik: Für Fraktionschef Struck ist das Verhältnis zwischen Schröder und SPD auf gutem Wege

Peter Struck (56) ist seit Oktober 1998 Fraktionsvorsitzender der SPD im Deutschen Bundestag. Über Ergebnisse, Ablauf und Atmosphäre des SPD-Parteitages in Berlin sprach Thomas Kröter mit dem Hobby-Motorradfahrer.

Peter Struck (56) ist seit Oktober 1998 Fraktionsvorsitzender der SPD im Deutschen Bundestag. Über Ergebnisse, Ablauf und Atmosphäre des SPD-Parteitages in Berlin sprach Thomas Kröter mit dem Hobby-Motorradfahrer.

Herr Struck, hat der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag einen Überblick über die Flut der Parteitagsbeschlüsse? Könnte doch wichtig sein für Sie.

Ja, habe ich; schließlich war ich Mitglied der Antragskommission. Außerdem sind viele Beschlussempfehlungen von der Bundestagsfraktion vorbereitet worden. Gerade in der strittigen Frage der Heranziehung größerer Vermögen zur sozialen Balance haben wir die verschiedenen Alternativen und Optionen erarbeitet, auf deren Grundlage Bundeskanzler Gerhard Schröder dann den nun verabschiedeten Vorschlag gemacht hat.

Der Mehrheitsorganisator im Parlament wacht also darüber, dass nicht zuviel, flapsig gesagt, dummes Zeug beschlossen wird.

Ein SPD-Parteitag beschließt nie dummes Zeug. Aber im Ernst: Es ist unsere Aufgabe, unsere Beschlüsse am Machbaren zu orientieren. Das habe ich auch vor den Delegierten gesagt. Dies ist der erste inhaltliche Parteitag nach der Regierungsübernahme der SPD. Deshalb musste das Motto sein: Alles was hier beschlossen wird, muss auch machbar sein. Die SPD darf keine Entscheidungen fällen, von denen sie genau weiß, dass sie entweder wegen des Widerstandes des Koalitionspartners, wegen der mangelnden Mehrheit im Bundesrat oder fehlender internationaler Übereinstimmung nicht in Regierungshandeln übersetzbar sind.

Bestehen alle Beschlüsse diesen Test der Realitätstauglichkeit?

Nicht alle. Das wäre auch verwunderlich.

Zum Beispiel?

Die Entscheidung zur Lieferung eines Testpanzers an die Türkei ...

gegen die der Parteitag protestiert.

Wir müssen in den nächsten eineinhalb Jahren umsetzen, was wir in der Koalition vereinbart haben - im Lichte der Entwicklung in der Türkei über den Verkauf einer großen Stückzahl zu entscheiden. Die Entscheidung des Parteitages ist die eine Sache, die tatsächliche Entwicklung in der Türkei die andere. Und an der müssen wir unsere Entscheidung zur gegebenen Zeit orientieren.

Der Parteitag hat am Schlusstag auch noch einen Antrag angenommen, der die Asylpolitik der Bundesregierung kritisiert und eine großzügigere Regelung der schon länger schmorenden "Altfälle" fordert. Hat das eine Realisierungschance?

Ja, wenn es uns gelingen würde, den Widerstand der Länder, insbesondere der Länderinnenminister ...

auch der sozialdemokratischen ...

richtig, auch der, zu überwinden. Was Innenminister Otto Schily bisher mit seinen Länderkollegen vereinbart hat, würde 20 000 Asylbewerbern die Möglichkeit geben, in Deutschland zu bleiben. Was der Parteitag beschlossen hat, würde eine wesentlich größere Zahl betreffen. Ich verstehe die emotionale Zuwendung der Delegierten zu den Asylbewerbern. Aber ich muss darauf hinweisen, dass es sich eben nicht nur um eine Bundes-, sondern auch um eine Ländersache handelt. Und da sprechen nicht nur sozialdemokratische, sondern auch Innenminister aus CDU und CSU mit.

Gibt es einen Beschluss oder ein Ereignis auf diesem Parteitag, das Ihnen besonders gegen den Strich gegangen ist?

Nein.

Auch nicht das miserable Wahlergebnis von Rudolf Scharping?

Das ist ein normales Ergebnis. Ich sehe das genauso gelassen wie er.

Es gab ja vor dem Parteitag Prognosen, die sich eine große Dramatik versprachen.

Wenn man den tatsächlichen Verlauf vor diesem Hintergrund betrachtet, muss man sagen: Das hätte vor sechs Wochen noch niemand erwartet.

Ist das Helmut Kohl und seinem Schwarze-Kassen-Skandal zu verdanken oder den vorgeschalteten Bezirkskonferenzen, wo die Basis Dampf ablassen konnte?

Eher Letzteren. Gerhard Schröder hat sehr viel gearbeitet. Auf den Regionalkonferenzen ist dann sehr viel Frust abgeladen worden. Die kollektive Vernunft des Parteitags hat sich dann in den Debatten und im Wahlergebnis für den Parteivorsitzenden und Bundeskanzler Gerhard Schröder gezeigt.

Liebt die Partei ihren Chef?

Die Partei hat Zuneigung zu ihm gefasst - gerade auch deshalb, weil er sich nach den Niederlagen in den Landtagswahlen der Kritik der Partei gestellt hat.

Hat dieses mentale Ankommen der Partei in der Regierungsverantwortung Bestand oder muss man nicht fürchten, dass die Partei beim nächstmöglichen Konflikt wieder ausbüxt?

Nein. Das hat Bestand. Ich kann das auch für die Fraktion sagen: Hier hat jeder Abgeordnete gelernt, was es heißt, Regierungsverantwortung zu tragen, das Wünschenswerte vom Machbaren zu trennen und sich aufs Machbare zu konzentrieren. Das gilt auch in großen Teilen für die Partei. Sie wäre aber nicht die SPD, wenn sie nicht an der einen oder anderen Stelle einmal gegen den Stachel löckte.

Erwarten Sie das auch von der Fraktion, wenn es um das Kleingedruckte bei der Einbeziehung der Vermögen etwa durch die Erhöhung der Erbschaftsteuer geht?

Auch hier gilt die Empfehlung: Konzentration auf das Mögliche. Wir haben die Entscheidung schon im Vorfeld des Parteitags mit der Fraktionsspitze der Grünen abgestimmt. Sie kann sich all diesen Punkten anschließen. Wir beginnen sofort mit der gesetzgeberischen Umsetzung. Nur bei der Kapitalertragsbesteuerung müssen wir die europäischen Entscheidungsprozesse abwarten. Wenn es dort keine Lösung gibt, müssen wir national handeln. Auch da gibt es keine Differenz zu den Grünen.

In diesem Gespräch ist der Name des Koalitionspartners öfter gefallen als auf dem Parteitag. Ist das total normal oder lässt es auf eine gewisse Kühle im Verhältnis zu den Grünen schließen?

Nein, das hat nichts mit Kühle zu tun. Auf dem Parteitag hatten wir uns mit unseren eigenen Angelegenheiten zu befassen. Die Kontakte unter den Partnern sind eng - auf der Spitzenebene wie unter den Fachpolitikern. Der Parteitag war ein deutlicher Beweis, dass wir das Heft des Regierungshandelns voll in die Hand genommen haben. Das geht nur gemeinsam mit den Grünen. Öffentliche Liebesbeweise waren nicht erforderlich, weil es praktisch läuft.

Herr Struck[hat der Fraktionsvorsitzende der SPD]

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