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Politik: Für hauptangeklagte Kriegsverbrecher wird es enger

In den vergangenen fünf Monaten haben sich auf Betreiben der serbischen Regierung unter dem Nationalkonservativen Vojislav Kostunica hin zehn serbische Angeklagte dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag freiwillig gestellt. An der Spitze der vom UN-Gerichtshof Gesuchten stehen der frühere politische Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, und dessen militärischer Befehlshaber Ratko Mladic.

Belgrad (30.03.2005, 16:09 Uhr) - Justizminister Zoran Stojkovic hat angekündigt, dass wenigstens sechs weitere Angeklagte in den nächsten Tagen folgen sollen. Geld für die Familien, Rechtsbeistand und das Versprechen der Haftverschonung bis zum Prozessbeginn wurden von der Regierung in Belgrad in Aussicht gestellt. Das hat zahlreiche Geflüchtete nach Jahren offensichtlich zum Umdenken gebracht.

Nachdem die mutmaßlichen Schwerverbrecher viele Jahre von den Behörden unter dem Vorwand des Patriotismus gedeckt worden waren, wird es jetzt auch für die Letzten auf der ursprünglich langen Liste eng. 14 serbische Angeklagte sucht das UN-Tribunal noch. Sollten alle Ankündigungen der Regierung über freiwillige Reisen nach Den Haag in die Tat umgesetzt werden, zieht sich vor allem die Schlinge um die beiden Hauptangeklagten, Radovan Karadzic und Ratko Mladic, enger. Der ehemalige Führer der bosnischen Serben hat ebenso wie sein Militärbefehlshaber durch die Überstellungen nach Den Haag fast zehn Jahre nach dem Ende des Krieges die engsten früheren Mitarbeiter verloren.

Die Erfolge der Regierung in Belgrad, die angeklagten Serben zum Einlenken zu bewegen, hatte kaum einer erwartet. Denn sie wird im Parlament von den Sozialisten des früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic am Leben erhalten, der als Hauptangeklagter selbst in Den Haag vor den Schranken des Gerichts steht. Den Sozialisten sei die Beteiligung an der Macht viel wichtiger als das Festhalten an ihren alten politischen und militärischen Helden, haben einheimische Kommentatoren analysiert. Sie verhinderten durch ihr Wohlverhalten auch die juristische Aufarbeitung von möglichen Straftaten ihrer immer noch aktiven Politiker und Geheimdienstler.

Schließlich steht die Kostunica-Regierung wegen der harten Haltung der Europäischen Union mit dem Rücken zur Wand. Nur wenn der größte Teil der Angeklagten ausgeliefert ist, werde es Mitte April eine positive «Machbarkeitsstudie» für Serbien-Montenegro geben, wiederholt Brüssel gebetsmühlenartig. Dass mit der EU dabei nicht zu spaßen ist, hat die Verschiebung der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien wegen der ausgebliebenen Auslieferung des «Kriegshelden» Ante Gotovina vor wenigen Wochen gezeigt. Die sogenannte Machbarkeitsstudie soll der Zugang für Belgrad in den Dunstkreis der EU sein. Auch Kostunica ist bei aller Skepsis gegenüber den westlichen Hauptstädten klar, dass er die Wirtschaftsmisere seines Landes nur mit Hilfe der EU mildern kann. (tso)

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