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Politik: „Für Reue gibt es keine Vorschrift“

Die Anwälte der früheren RAF-Terroristin Verena Becker fordern Freispruch für ihre Mandantin und greifen Bubacks Sohn an.

Ob sie noch etwas zu ihrer Verteidigung zu sagen hat? „Vielen Dank.“ Ob sie sich ein letztes Mal äußern möchte? „Vielen Dank.“ Verena Becker wollte nicht. Aus ihrer Sicht hat sie gesagt, was zu sagen war im Prozess um den Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback.

Und das war nicht viel. Auf Freispruch hatten denn auch zuvor ihre Anwälte plädiert. Becker sei an dem Anschlag im April 1977 weder unmittelbar beteiligt gewesen, noch habe sie Entschlüsse der späteren Täter bestärkt, sagte Anwalt Walter Venedey am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Insbesondere habe sie nicht von einem Motorrad aus auf Buback geschossen. „Die Hauptverhandlung lässt keinen Raum für die Behauptung, Becker habe auf der Suzuki gesessen.“ Dies hatte Nebenkläger Michael Buback behauptet, der Sohn des Getöteten. Am Freitag nächster Woche will das Gericht sein Urteil sprechen. Die Anklage hatte zwei Jahre und sechs Monate unter Anrechnung von Beckers bisheriger Haft gefordert.

Die Verteidiger wollten einen kurzen Prozess, zumindest an seinem Ende. So verzichteten Venedey und sein Kollege Hans Wolfgang Euler darauf, Michael Bubacks Verdacht zu widerlegen. Die Bundesanwaltschaft habe in arbeitsintensiver und detaillierter Weise dargestellt, weshalb Becker nicht am Tatort gewesen sein könne. „Diesen Ausführungen schließen wir uns in vollem Umfang an.“ Anders als die Ankläger, die Beckers Tatbeitrag für eine psychische Beihilfe halten, forderte Venedey einen glatten Freispruch. Die Beweise seien uneindeutig und trügen keinen Schuldspruch. Es hätten sich keine Belege für eine zentrale Stellung Beckers in der RAF ergeben, sie mag eine Zeit lang für Nahost-Kontakte wichtig gewesen sein, mehr nicht. Sollte es dennoch zu einer Verurteilung kommen, müsse die Strafe unter zwei Jahren liegen und so zur Bewährung ausgesetzt werden können.

Vor allem Buback und aus ihrer Sicht zweifelhafte Zeugen nahmen sich die Verteidiger vor. „Wer auf Skandale – um nicht zu sagen Randale – aus war, dem wurde von der Nebenklage etwas geboten“, sagte Anwalt Euler. Der Nebenkläger habe Logik angemahnt, doch dazu gehöre, zwischen Feststellungen und Vermutungen zu unterscheiden. Nicht 27, wie Buback meint, sondern nur zwei Zeuginnen wollten auf dem Tatmotorrad eine Frau erkannt haben. Und beide wollten Gesichter gesehen haben, obwohl das wegen der Schutzhelme nicht möglich gewesen sei. Die Nebenklage habe wichtige Beweispunkte in ihrem Plädoyer unterschlagen, um die These von Becker als Täterin und die Hilfestellung für sie durch den Verfassungsschutz zu halten. Euler kritisierte zudem die Bundesanwaltschaft, weil sie eine widersprüchliche Aussage als Beleg für Beckers Mittäterschaft angeführt habe. Später seien die Ankläger auf den schwächeren Vorwurf der Beihilfe umgeschwenkt, ohne dies triftig zu begründen.

Die Verteidiger bemühten sich, den Hauptbelastungszeugen, Peter-Jürgen Boock, als unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Mit dem RAF-Aussteiger will die Anklage beweisen, dass Becker vehement auf den Anschlag gedrungen habe. Sein Wissen über Becker sei spärlich, seine Erinnerung lückenhaft, sagte dagegen Euler. Boock habe sich interessant machen wollen und „gelogen, dass sich die Balken bogen“. Verteidiger Venedey warf verschiedenen Medien und Buback vor, in einem „Wechselspiel“ die These von der Täterschaft Beckers in die Welt gesetzt und bestärkt zu haben. Auf seine Veranlassung seien in dem Prozess Hochstapler und Betrüger als Zeugen vernommen worden. Dass Buback am Prozessergebnis nun nicht mehr interessiert sei, zeige, dass er nur akzeptiere, was er für richtig halte, „ein Bekenntnis zur Selbstjustiz“. Buback stelle sich über das Gesetz.

Anwalt Venedey betonte, seine Mandantin habe sich von der RAF seit Mitte der achtziger Jahre glaubwürdig abgewandt. Ihre persönlichen Aufzeichnungen, die die Ankläger als Beleg für ihre Beihilfe sehen, spiegelten ihren Weg des Umgangs mit ihrer persönlichen Geschichte. Sie sei der Verhandlung trotz ihrer Erkrankung gewissenhaft und regelmäßig gefolgt. „Es gibt keine gesetzliche Vorschrift für Reue.“ Aber für Buback habe sie Respekt gezeigt.

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