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Politik: Funke linker Selbstzerstörung Von Hermann Rudolph

Zu den Gründen, mit denen seinerzeit der Umzug von Regierung und Bundestag nach Berlin begründet wurde, gehörte die Erwartung, dass hier die großen Konflikte zeitiger sichtbar würden, als im ruhigen Bonn. Mag sein, dass man dem Berliner Parteitag der WASG am vergangenen Wochenende zu viel der Ehre antut, wenn man ihn zum Beleg dafür nimmt.

Zu den Gründen, mit denen seinerzeit der Umzug von Regierung und Bundestag nach Berlin begründet wurde, gehörte die Erwartung, dass hier die großen Konflikte zeitiger sichtbar würden, als im ruhigen Bonn. Mag sein, dass man dem Berliner Parteitag der WASG am vergangenen Wochenende zu viel der Ehre antut, wenn man ihn zum Beleg dafür nimmt. Dafür war das tumultuarische Schauspiel, das diese Wahlalternative bot, die Arbeit und Soziale Gerechtigkeiter auf ihre Fahnen geschrieben hat, zu sehr durchtränkt von den Usancen der alten linken Berliner Polit-Folklore. Aber sein chaotischer Verlauf, das vergebliche Anreden der Protagonisten der Linkspartei gegen den Eigensinn des Berliner WASG-Fußvolks und die Vorbehalte gegen die Fusion mit dem neuen Bündnis setzen schon ein Zeichen. Am Horizont dieses politischen Projekts, das sich eben stolz als Mit-Wahl-Sieger im Bundestag formierte, glimmt der Funken linker Selbstzerstörung auf.

Es sind, vermutlich, zunächst gar nicht so sehr die praktischen Konsequenzen, die die Linkspartei beschäftigen müssen. Der Zirkus, den die 781-Mitglieder-Truppe am Wochenende aufführte, bedeutet noch längst nicht, dass die Verbindung von erbitterten Gewerkschaftern, enttäuschten SPD-Mitgliedern und PDS sich spaltet, bevor sie überhaupt zu einer Partei geworden ist – weder in Bezug auf die anstehenden Landtagswahlen, zumal in Berlin, noch für die Bundespolitik. Aber er zeigt, dass auf der äußersten Linken die alten Sitten und Unsitten – Abneigung gegen Realpolitik, Unbelehrbarkeit und Lust an der Selbstzerfleischung – auch nach der neuen Partei greifen. Wenn sie an Boden gewönnen, ist nicht mehr auszuschließen, dass die Linkspartei nur einen Sommer tanzte – den Wahl-Sommer.

Dass sich der Konflikt an der Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin entzündet, ist kein Zufall. Die Übernahme politischer Verantwortung, das Rechnen mit Kompromissen und Kosten-Relationen sind für linke Rechtgläubigkeit traditionellerweise die Nagelprobe. Auch die etatistisch erzogenen PDS-Kader tun sich ja schwer damit. Aber in der Verbindung mit der WASG sieht die PDS sich nun der Herausforderung durch die westliche linke Subkultur und dem Wettbewerb um das noch linkere Links-Sein ausgesetzt. Wohin die dadurch geweckten inneren Abstoßungs-Kräfte führen, zeigt der Umstand, dass die WASG in Berlin auf die PDS nicht zuletzt mit dem Vorwurf des Neoliberalismus einprügelte.

Die stimmstarke, charismatische Doppelspitze Gysi-Lafontaine und der Wahlerfolg der Linkspartei haben überdeckt, dass es sich bei ihr um ein brüchiges Bündnis handelt. Nun steht die rasch zusammengeleimte Verbindung von West und Ost, von Gewerkschaftern, Links-Sektierern und disziplinierter PDS, vor der Probe ihrer Belastbarkeit im politischen (Nach-Wahl-)Alltag. Der Umstand, dass die PDS dort, wo sie mitregiert, jene Politik mitträgt, gegen die die von ihr patronisierte Linkspartei im Wahlkampf so rüde wie konsequent angegangen ist, markiert zumindest eine Sollbruchstelle dieses Projekts. Da muss es nicht verwundern, dass bei dem Berliner Parteitag offenbar ehemalige PDS-Mitglieder, die aus Protest gegen die Politik ihrer alten Partei in der rot-roten Koalition zur WASG gestoßen sind, die Speerspitze des Unmuts bildeten.

Das Aufbrechen der Spannungen, die in der Linkspartei verklammert sind, braucht nicht zu überraschen; erstaunlich ist eher, dass die Bruchlinien in der Partei sich so schnell entzünden. Und wird es dabei bleiben? Nicht einmal das Image als Ost-Partei, mit dem die PDS in der Linkspartei wuchert, ist ja eine sichere Bank in einer Partei, deren Schwerpunkt in den Westen verrutscht ist und deren Fraktion deshalb mehrheitlich von West-Abgeordneten gestellt wird. Kann dieses Ungleichgewicht ohne Folgen bleiben, wenn der Osten – wie die Umfragen zeigen – die Gesichter von Angela Merkel und Matthias Platzeck annimmt? Die Linkspartei als Westpartei: das wäre dann nicht der Anfang des mit ihrem Einzug in den Bundestag prognostizierten Umbruchs unseres Parteiengefüges, sondern schon der Anfang seines Endes.

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