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Amtskollegen: Wolfgang Schäuble und Steve Mnuchin.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Update

G-20-Finanzministertreffen: Wie viel Freiheit lässt Trump Steven Mnuchin?

Zwischen Konsens und Chaos: Das Treffen der Finanzminister der G 20 ist von Ungewissheit bestimmt. Niemand weiß, wohin der neue US-Präsident steuert. Wolfgang Schäuble bekam schon einen Vorgeschmack.

Die Situation ist ungewohnt: Wenn die Finanzminister der G-20-Staaten an diesem Freitag in Baden-Baden zusammenkommen, dann sitzt ein Kollege aus Washington mit am Tisch, von dem man nicht so recht weiß, was er will, was er soll oder was er darf. Erstmals seit langem ist die Weltführungsmacht USA dem Rest der Welt ein echtes Rätsel. Präsident Donald Trump gibt auch nach fast zwei Monaten im Amt nicht zu erkennen, welchen Weg er in der internationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik einschlagen will.

„America first“ war schon früher die Devise von US-Regierungen. Doch stets hat Washington dabei auch die größeren Zusammenhänge bedacht, hat Verbündete gesucht, hat sich in die Weltgemeinschaft eingepasst. Das multilaterale Format der G-20 (der führenden Industrie- und Schwellenländer) bedeutet Weltregierung im Konsens, wenn auch nicht in steter Harmonie und natürlich immer mit Fokus auf die jeweils eigenen Interessen. Den Deutschen liegt viel daran, das hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zuletzt immer wieder durchblicken lassen.

„America first“ als Devise für amerikanische Rücksichtslosigkeit und Alleingänge würde dieses gewachsene System beträchtlich durcheinander bringen. Er hoffe, dass Amerika auch weiterhin „seine schwer zu ersetzende Rolle als globale Führungs- und Ordnungsmacht spielt“, sagt er.

Schäuble und Mnuchin bemühen sich um Kooperation

Bei seinem Treffen mit dem neuen US-Finanzminister Steven Mnuchin am Donnerstagabend in Berlin warb Schäuble für die gewachsene internationale Kooperation. Gerade in schwierigen Zeiten, so Schäubles Auffassung, hätten die G 20 die Aufgabe, einen möglichst großen Beitrag zu mehr globaler Zusammenarbeit zu leisten.

Trump würde gern die Vorzeichen ändern, weil er glaubt, dass die USA in diesem System die Dummen sind. Jedenfalls war das seine Wahlkampfnummer. Pläne wie die einer Unternehmensbesteuerung, die letztlich Importe bestraft, oder einer Lockerung der Finanzmarktregulierung sollen den Vereinigten Staaten Vorteile bringen. Das zielt in erster Linie auf den Exportkönig China, aber auch auf die Europäische Union, die er als Hauptkonkurrenten seines Landes sieht. Schäuble warnt vor einem Systemwechsel in der internationalen Unternehmensbesteuerung. Der würde jahrelange Bemühungen zunichte machen und sämtliche Doppelbesteuerungsabkommen in Frage stellen. Will heißen: Es würde Chaos angerichtet.

Nach dem einstündigen Gespräch bemühten sich Schäuble und Mnuchin, den Eindruck zu vermitteln, dass beide Länder weiterhin gemeinsam Lösungen für Probleme suchen werden. Mnuchin machte deutlich, dass Washington an seiner globalen Führungsrolle festhalten wolle, für Wachstum und Jobs "über alle Volkswirtschaften hinweg. Das primäre Augenmerk liege aber auf Wachstum in den USA. Um das zu stimulieren, wolle man eine Steuerreform angehen, für Privatleute wie für Unternehmen. Doch habe man noch zu keiner Entscheidung gefunden, sagte Mnuchin.

Nach seinen Worten ist die umstrittene Grenzsteuer noch auf dem Tisch. Mit Blick auf die Weltwirtschaft sagte der Chef der US-Treasury, Präsident Trump sei für Freihandel, aber auch für fairen Handel. Man kann das so deuten, dass die US-Regierung Freihandel dann gutheißt, wenn amerikanische Interessen bedient sind. "Wir haben nicht den Wunsch, Handelskriege zu führen", erklärte Mnuchin. Aber "Ungleichgewichte" sollten korrigiert werden, eine Anspielung auf das Handelsdefizit der USA und die Handelsüberschüsse von Ländern wie China und Deutschland.

Bekenntnis zu Freihandel angestrebt

Die Stärkung Amerikas besteht aus Trumps simpler Sicht der Dinge darin, die anderen auseinanderzudividieren und in bilateralen Verfahren dahin zu bewegen, wo er sie haben will. Zu einer solchen Sichtweise würde eine Politik des kalkulierten Konflikts gut passen. Daher dürften die meisten G-20-Finanzminister in Baden-Baden daran interessiert sein, ihrem neuen US-Kollegen das Bild größerer Geschlossenheit zu vermitteln. Versucht wird, Mnuchin zu einem gemeinsamen Bekenntnis zum Freihandel zu bewegen – ein Dilemma für den Amerikaner, denn lehnt er ab, steht Washington isoliert da, macht er mit, tun sich Diskrepanzen auf zu den protektionistischen Versprechen seines Regierungschefs.

In Baden-Baden dürfte auch eine Rolle spielen, dass die bisher bekannten Überlegungen der neuen US-Regierung nicht unbedingt zusammenpassen. So würde die Einführung einer Grenzsteuer zur Stärkung der US-Industrie zwar Exportnationen wie China und Deutschland treffen, aber auch – über die schon eingeleitete Zinswende der Federal Reserve hinaus - den Dollar teurer machen, was amerikanischen Exporteuren nicht gefallen dürfte. Und auch nicht den Ländern, die stark in Dollar verschuldet sind.

Sollte Trump tatsächlich die Finanzmarktregulierung in den USA deutlich lockern, wäre die Welt heute besser gewappnet, sollte es wieder – wie in der Finanzkrise nach 2008 – schief gehen. Die Widerstandsfähigkeit der Weltwirtschaft zu stärken, ist das Hauptanliegen der deutschen G-20-Präsidentschaft in diesem Jahr. Dem wird sich Mnuchin nicht entziehen wollen. Es gebe daher „keinen Grund, pessimistisch zu sein“, heißt es im Bundesfinanzministerium.

Man geht dort davon aus, dass Trump das „Dodd-Frank-Gesetz“ zur Bändigung der Wall Street nicht schleift, sondern allenfalls aufweicht – und setzt dabei darauf, dass im Kongress in Washington die Erinnerungen an die Milliarden-Rettungsprogramme in der Finanzkrise noch wach sind. „Deregulierungen vorzunehmen in der Hoffnung, damit die Wirtschaft zu stimulieren, könnte nach hinten losgehen“, sagt Bundesbankchef Jens Weidmann, der wie alle Notenbankpräsidenten in Baden-Baden dabei ist. Mnuchin blieb auch hier undeutlich: Es gehe darum, das Gesetz einer Revision zu unterziehen.

Wie widerstandsfähig ist die Weltwirtschaft?

Zudem dürfte Schäuble unter dem Tagesordnungspunkt Widerstandsfähigkeit auch das Thema Staatsschulden aufrufen. Die Deutschen sehen sehr hohe Schuldenquoten als Wachstumshemmnis. Gerade erst hat der Bundesfinanzminister verkündet, dass Deutschland schon bald wieder unter der Marke von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist, auf die sich die Euro-Staaten als Obergrenze in normalen Zeiten verständigt haben. Zu den Staaten, die in der Finanzkrise massiv in die Miesen gehen mussten und bis heute nicht herauskommen, gehören auch die USA. Trump könnte dazu neigen, noch mehr Schulden zu machen. Mnuchin wird erklären müssen, wie das zur weiteren Stabilisierung der Weltwirtschaft beiträgt.

Schäuble wiederum wird abermals Angriffe auf die deutschen Exportüberschüsse abwehren müssen. Mit seinen wiederholten Äußerungen, er habe nichts gegen höhere Zinsen, hat er sich schon dafür gewappnet. Es könnte dann an EZB-Chef Mario Draghi hängenbleiben, den Amerikanern zu vermitteln, warum in der Euro-Zone die Zinsen erst einmal niedrig bleiben und damit auch der Euro gegenüber dem Dollar keinen Boden gut machen wird.

Der frühere Goldman-Sachs-Berater Draghi könnte den früheren Goldman-Sachs-Banker Mnuchin in dem Zusammenhang daran erinnern, dass die Ursache für die weltweite Niedrigzinsphase in Amerika liegt – sie begann dort mit dem Platzen der Kredit- und Immobilienblase vor zehn Jahren.  "Langfristig" sei eine Stärkung des Dollars gut, meinte Mnuchin in Berlin.

Aufrüsten - oder Afrika helfen?

Dass die Europäer und vor allem die Deutschen zu wenig für die Rüstung tun und das Nato-Ziel verfehlen, eine Summe entsprechend zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu stecken, hat Trump schon mehrfach vorgetragen. Schäuble hat nun die Ausgaben im nächsten Haushalt etwas erhöht, außerdem wirbt er dafür, den Begriff Verteidigungsausgaben etwas weiter zu dehnen – nicht nur Waffen sollen darunter fallen, sondern auch Maßnahmen zur internationalen Sicherheit.

In den Zusammenhang fällt Schäubles zweites Kernanliegen für die G-20-Präsidentschaft, das „Abkommen mit Afrika“. Die stärkere Einbindung der afrikanischen Staaten in die Weltwirtschaft, auch um den Kontinent politisch zu stabilisieren (Stichwort Fluchtursachen), dürfte kaum auf Trumps Agenda der wichtigsten Dinge stehen. So könnte das Thema angesichts der neuen Ungewissheiten in Baden-Baden erst einmal unter den Tisch fallen. Freilich braucht Schäuble die USA, will er den Afrikanern leichteren Zugang zu Krediten des IWF oder der Weltbank verschaffen. In Baden-Baden sind vorerst fünf afrikanische Finanzminister zugegen – aus Marokko, Tunesien, Senegal, Ruanda und Elfenbeinküste.

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