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G-20-Gipfel: Brasilien: Moralische Autorität bei uns größer als bei Reichen

Wenn an diesem Donnerstag beim Weltwirtschaftsgipfel in London die Großen dieser Welt über die Folgen der globalen Finanzkrise diskutieren, werden die Vertreter der lateinamerikanischen Staaten erstmals nicht nur am Katzentisch Platz nehmen.

Von Michael Schmidt

Berlin - Im Gegenteil. Die politischen Führer der Schwellenländer reisen sehr selbstbewusst an. Sie pochen auf ein stärkeres Mitspracherecht des Südens im internationalen Finanzsystem. Und so wie die Dinge liegen, wird der Norden ihnen das kaum verweigern können.

„Diese Krise haben uns die Industrieländer eingebrockt, und es ist unfair, dass wir die Suppe auslöffeln müssen“ – dieser Satz des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva dürfte die Haltung aller Schwellenländer treffend wiedergeben. Geht es nach Lula da Silva, ist zumindest fraglich, ob nach diesem 2. April die Weichen für die Weltwirtschaft weiterhin nahezu ausschließlich im Norden gestellt werden. „Wir werden am 2. April zum ersten Mal mit größerer moralischer Autorität nach London kommen als die reichen Länder“, sagte Lula bei einem gemeinsamen Auftritt mit der argentinischen Staatschefin Cristina Kirchner, die ebenfalls in London dabei sein wird. „Unsere Volkswirtschaften sind aufgeräumt.“

Peter Rösler vom Hamburger Lateinamerika-Verein findet das Auftreten speziell der Südamerikaner „bemerkenswert“, aber „nicht überraschend“. Als inzwischen neuntgrößte Volkswirtschaft der Erde, weltweit wichtigster Lieferant von Agrargütern und weltweit führende Industrienation zum Beispiel in Sachen Erdöltiefseeförderung und anderen Sektoren habe Brasilien in den vergangenen Jahren ein wirtschaftliches Gewicht gewonnen, das sehr wohl dazu taugt, die politischen Ambitionen ehrgeiziger Staatsführer wie Lula da Silva zu unterstützen. Sein Wort findet Gehör. Nicht erst seit gestern, aber heute mehr denn je. Hauptforderung der lateinamerikanischen Länder: Mehr Einfluss auf die Neugestaltung der Weltfinanzordnung. Also mehr Mitspracherechte im Internationalen Währungsfonds und bei der Weltbank, mehr Kapital für die Region, um die Folgen der Krise abzufedern, und vor allem: Bloß keinen Protektionismus.

Vor allem Mexiko hat, wie Lateinamerika-Verein-Länderreferent Alexander Schmidbauer sagt, Grund, in den Chor der Kritiker jeglicher Importbarrieren und Handelshindernisse einzustimmen. Als Mitglied der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta ist das mittelamerikanische Land auf eine Art und Weise abhängig von der Konjunktur in den USA, die im Lande mehr und mehr als ungesund erkannt wird. Kurz vor dem Gipfel bat Mexiko den Internationalen Währungsfonds um einen Kredit von umgerechnet 36 Milliarden Euro – um sich so gegen die Auswirkungen der Finanzkrise zu rüsten.

Ob das lateinamerikanische Ländertrio in London mit einer Stimme sprechen wird, ist fraglich. Zu unterschiedlich ist bei aller gemeinsamen Anti-Protektionismus-Rhetorik dann doch die tatsächliche Politik. Argentinien zum Beispiel agiert deutlich staatsinterventionistischer als Lula da Silvas Brasilien.

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