zum Hauptinhalt
Obama und Putin auf dem G8-Gipfel.

© AFP

G-8-Gipfel: USA und Russland bleiben in Syrien-Frage uneins

Einer gegen alle: Die Syrien-Gespräche beim G-8-Gipfel drohen in einer Sackgasse zu enden. Dennoch hoffen die Kanzlerin, der Gastgeber und der US-Präsident auf ein Signal des Entgegenkommens von Wladimir Putin. Immerhin gibt es beim Treffen in der Idylle einen Erfolg.

Russland hat sich beim G-8-Gipfel mit der rückhaltlosen Unterstützung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad ins Abseits manövriert. Wie Diplomaten am Montag bei dem Treffen in Nordirland sagten, sei es überaus schwierig, eine gemeinsame Haltung zum Syrien-Konflikt für die Abschlusserklärung des Gipfels zu formulieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen westlichen Staats- und Regierungschef hofften dennoch, den russischen Präsidenten Wladimir Putin für eine machbare diplomatische Lösung gewinnen zu können.

Dem politischen Dilemma stand ein wirtschaftlicher Erfolg gegenüber: Die Europäische Union und die USA wollen mit einem Freihandelsabkommen ihren 800 Millionen Bürgern mehr Wohlstand und Arbeitsplätze sichern. Die Verhandlungen sollen bereits im Juli in Washington beginnen. Der Startschuss für die größte Freihandelszone der Erde wurde kurz vor dem Gipfel der führenden Industrienationen und Russlands (G8) am Montag bei Enniskillen gegeben.

Merkel setzte darauf, dass sich Putin doch bewegen könne. „Hier sind die Positionen doch noch ein ganzes Stück auseinander. Ob es gelingt, sie etwas mehr zusammenzuführen, kann ich heute noch nicht sagen“, sagte sie. Der UN-Sicherheitsrat habe bisher keine gemeinsame Position zu Syrien gefunden. „Das ist Ermutigung für das Assad-Regime, immer so weiter zu machen.“ Aus Moskau kamen wie immer scharfe Töne. Die russische Regierung kritisierte Überlegungen der USA, Frankreichs und Großbritanniens, die Aufständischen gegen Syriens Präsident Assad aufzurüsten. Russland liefert an Assad Waffen und hält das für rechtens.

Auslöser der westlichen Pläne ist, dass die USA und Frankreich Erkenntnisse haben, wonach der syrische Machthaber Assad tödliches Giftgas gegen die Aufständischen eingesetzt hat. Seit März 2011 hat der Bürgerkrieg mindestens 93 000 Tote gefordert. Auf der außenpolitischen Agenda des zweitägigen Treffens der Staats- und Regierungschefs standen neben Syrien auch die Konflikte um die Atomprogramme Nordkoreas und des Irans. Auch darüber sollte bei einem Essen beraten werden.

Begleitet von großen Hoffnungen auf mehr Wachstum haben die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika am Montag offiziell die Aufnahme von Gesprächen über eine gemeinsame Freihandelszone vereinbart. Zum Auftakt des G8-Gipfels in Nordirland sagte US- Präsident Barack Obama, das Abkommen werde die transatlantische Beziehung weiter vertiefen, wenn es zustande komme: „Amerikaner und Europäer haben schon in der Vergangenheit zusammen Außergewöhnliches geleistet.“ EU-Kommissionschef José Manuel Barroso sagte in Enniskillen am Lough Erne, die beiden größten Handelsblöcke würden nun die größte Freihandelszone der Welt schaffen: „Unsere Partnerschaft wird die Karten in der Weltwirtschaft neu mischen.“

Alle verfügbaren Studien gehen von volkswirtschaftlichen Gewinnen auf beiden Seiten aus. Der britische Premier David Cameron als Gastgeber nannte beispielsweise die Zahl von zwei Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen. Allerdings ist die Bandbreite der Zahlen, die Ökonomen präsentieren, sehr groß. So rechnet beispielsweise das Londoner Centre for Economic Policy Research damit, dass die europäische Wirtschaft mit 119 Milliarden Euro im Jahr stärker vom Abbau der verschiedensten Handelshemmnisse profitieren kann als die amerikanische. Diese kann dem Institut zufolge mit einem jährlichen Plus von 95 Milliarden Euro rechnen.

Demgegenüber prophezeit eine Untersuchung des Ifo-Instituts, die pünktlich zum Verhandlungsstart am Montag veröffentlicht wurde, ein umgekehrtes Verhältnis. „Langfristig“ würde das Pro-Kopf-Einkommen der US-Bürger demnach um 13,4 Prozent steigen, während die Europäer vom transatlantischen Freihandel nur mit zusätzlichen fünf Prozentpunkten rechnen könnten. In Deutschland wären es 4,7 Prozent.

Kultureller Bereich vorläufig aus den Gesprächen ausgeklammert.

Herman Van Rompuy, Barack Obama, Jose Manuel Barroso und David Cameron auf dem G8-Gipfel.
Herman Van Rompuy, Barack Obama, Jose Manuel Barroso und David Cameron auf dem G8-Gipfel.

© dpa

Die Zustimmung Obamas ist gleichbedeutend damit, dass das eingeschränkte Verhandlungsmandat der Europäer für die amerikanische Seite ganz offensichtlich gut genug ist. Im Vorfeld hatte es aus US-Regierungskreisen geheißen, ein spezieller Schutz etwa der europäischen Filmindustrie könne zu Sonderwünschen Washingtons führen. Dies war zumindest am Montag noch nicht der Fall. Allerdings läuft erst am heutigen Dienstag die Einspruchsfrist des amerikanischen Kongresses aus.

Der Widerstand Frankreichs hatte am Freitagabend dazu geführt, dass die EU-Mitgliedstaaten den kulturellen Bereich zumindest vorläufig aus den Gesprächen ausgeklammert hatten. Barroso sagte am Rande des Gipfels in Nordirland, es sei nie darum gegangen, die Radioquoten für einheimische Produktionen oder die Filmförderung durch die Hintertür abzuschaffen: „Wir sind rechtlich verpflichtet, sie zu schützen.“ Allerdings darf die EU-Kommission auch über den audiovisuellen Sektor mit den Amerikanern Gespräche führen und Nachforderungen an die Mitgliedstaaten stellen – wenn es angesichts der Verhandlungsstandes sinnvoll erscheint.

Die konkreten Gespräche auf Expertenebene sollen am 8. Juli in Washington beginnen. Barroso wollte kein Zieldatum für einen Abschluss nennen: „Die Substanz ist wichtiger als Schnelligkeit“, sagte der Kommissionschef, dessen Behörde die Verhandlungen im Namen aller bald 28 Mitgliedstaaten führen wird. Es werde sicher „mehrere Jahre“ in Anspruch nehmen, da es sich um ein in dieser Bedeutung einmaliges Abkommen handele und „viele sensible Themen“ berührt würden. „Es wird Befindlichkeiten auf beiden Seiten geben“, sagte auch Obama, „wird werden aber das Gesamtbild nicht aus den Augen verlieren dürfen.“

Während Befürworter wie der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary das Freihandelsabkommen als „kostenloses Konjunkturprogramm“ sehen, weil „Zollsenkungen und die Abschaffung von Handelsbarrieren keinen Cent kosten“, sind im Detail viele heikle Fragen zu beantworten. Der Grünen-Europaparlamentarier Martin Häusling etwa sieht im „Bereich von Lebensmitteln, Verbraucherschutz und Landwirtschaft weit mehr Nach- als Vorteile auf Europa zukommen“. Die hochindustrialisierte US-Landwirtschaft und der sich langsam auf nachhaltigere Produktionsmethoden umstellende EU-Agrarsektor passten schlicht nicht zusammen: „Der europäische Verbraucher möchte keine mit Chlor behandelten Hähnchen, kein mit Hormoneinsatz produzierte Steaks und kein gentechnisch verändertes Brotgetreide.“

Auch Entwicklungsorganisationen dürften eine kritische Position einnehmen. Die neue Ifo-Studie weist nämlich daraufhin, dass den Wohlfahrtsgewinnen in der EU und den USA „reale Einkommens- und Beschäftigungsverluste im Rest der Welt gegenüberstehen“. Kommissionschef Barroso wies aus diesem Grund darauf hin, dass „wir deshalb unsere internationale Agenda nicht aufgeben“. Bei den Welthandelsgesprächen am Jahresende in Bali sei die EU daher bereit, Fortschritte zugunsten der Entwicklungsländer zu erzielen. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false